Aktueller Vertrauens-Spitzenreiter - die Wirtschaft

Unter den vier Institutionen, deren Vertrauens-Niveau regelmäßig von Edelman angefragt wird, liegt 2024 die Wirtschaft vorn.

Eine der weltweit stark beachteten repräsentativen Umfragen ist die jährliche Umfrage der renommierten Agentur Edelman, die seit langem das Vertrauen in die vier Institutionen Regierung, Medien, Wirtschaft und Nichtregierungsinstitutionen erhebt. Der Vertrauens-Begriff zielt dabei vor allem auf die Dimensionen Kompetenz und ethisches Verhalten.

Dabei wurden zuletzt 32.000 Personen in 28 Ländern befragt. Davon 1.150 in Deutschland. Angesichts der Wirtschaftskrise in vielen Branchen und der derzeit nur sehr geringen Wachtstumserwartungen, wird das im Januar für Deutschland präsentierte Ergebnis viele überraschen. Denn das meiste Vertrauen, mit deutlichem Abstand, genießt derzeit die Wirtschaft in Deutschland. Vor allem in Bezug auf Kompetenz-Zuschreibungen liegt die Wirtschaft derzeit um Längen vor der Regierung. Auf dieser Grundlage wachsen natürlich Erwartungshaltungen. Beispielsweise in die Innovations- und Lösungskompetenz der Unternehmen.

Die Frage ist, welche Schlüsse die Verantwortlichen hieraus ziehen. Schon länger ist aus den Edelman-Umfragen und aus anderen Studien die Erwartungshaltung klar ablesebar, vor allem die Spitzenrepräsentanten der Unternehmen und der Wirtschaftsverbände mögen sich stärker in gesellschafts- und wirtschaftspolitische Debatten einmischen. Und gerade das tun ja derzeit auffällig viele CEO's, beispielsweise mit deftigen AfD-Bashings. Nachdem es gerade in dieser Frage lange Zeit deutliche Zurückhaltung seitens der Wirtschaft gegeben hatte.

Ob das mit dem gewünschten Einmischen gemeint ist?

Ein paar Anmerkungen zur Einordnung der Edelman-Zahlen. Zunächst einmal sind sie überhaupt kein Grund, sich auf Seiten der Wirtschaft zufrieden zurückzulehnen.  Zwar liegen sie in Deutschland an der Spitze des Vertrauens. Aber man darf betonen: derzeit. Und zweitens, die Zahlen liegen insgesamt auf einem niedrigen Niveau, für alle Institutionen. Um die 50 % und darunter, zum Teil klar darunter. Es handelt sich also keineswegs um die Ausgangssituation eines Vertrauensüberschusses. Das Gegenteil ist der Fall! Tatsächlich muss man eher von einer Institutionenkrise ausgehen, von einem Verfall bisheriger Autoritäten. Und dieser ist schon läger beobachtbar. Hiervon sollten Kommunikationsverantwortliche ausgehen. Und strategische Überlegungen anstellen, woran der Beitrag der Unternehmen bestehen könnte oder vielleicht sogar müsste, um hier verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Das schnelle Schielen auf die CEO-Kommunikation liegt nahe. Die Verantwortung aber einseitig dorthin zu schieben, wäre ein Fehlschluss. Denn aus anderen und früheren Edelman-Umfragen, die gar nicht so lange zurückliegen, war durchaus ablesebar, dass die CEO's keineswegs an der Spitze stehen, wenn man nach Vertrauen in öffentliche Aussagen von Unternehmensvertretern abfragt. Da lagen die technischen Experten der mittleren Führungsgebene und sogar ganz normale Beschäftige (wenn sie sich beispielsweise in ihren Social Media Accounts über ihr Unternehmen äußern), zum Teil weit vor dem Spitzenpersonal.  Dagegen lässt sich aus der aktuellen Edelman-Ergebung aber eine dezidierte Erwartung an die CEO-Ebene ablesen: klare Äußerungen zu Lösungsangeboten des Unternehmens in der Innovationskommunikation und zu den erforderlichen Skills in der Arbeitswelt von morgen sind gefragt.

Was folgt daraus als strategische Anfrage an die Manager der Unternehmenskommunikation? Eindeutig eine Neuausrichtung des Themenmanagements und des Agenda-Settings. Also nicht einfach eine Themenplanung auf der Zeitachse und eine Priorisierung des Agenda Settings traditionellen Stils mit wenigen Köpfen oder vielleicht sogar nur einem repräsentativen Kopf des Unternehmens. Sondern immer zugleich auch eine sorgfältige Abwägung, wer denn beim Thema der vermutlich vertrauenswürdigste Akteur in der allgemeinen Öffentlichkeit und bei den verschiedenen Stakeholdern wäre: CEO, Aufsichtsrat, Verwaltungsrat, Mittelmanagement, Fachexperten, normale Beschäftige bspw. über deren Influencer-Status. Regelmäßige Routine-Zusammenkünfte der Newsroom-Verantwortlichen, in denen vor allem das Tagesgeschäft organisiert wird, sind hierfür eher weniger geeignet.  Unregelmäßige Kommunikations-Strategie-Sitzungen, ohne Tabudenken, Scheuklappen und Schubladen-Denken und unter Hinzuziehung unabhängig-externer Perspektive dagegen schon sehr viel mehr.

 

Markus Kiefer

(Kolumne von Markus Kiefer vom 1. Mai 2024 auf www.markus-kiefer.eu)

 

Erschienen am 01/05/2024 07:06
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Auf den Punkt
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