Auf 7 Wegen zur prinzipientreuen Führungskraft - zur Jubiläumsausgabe von Coveys Weltbestseller
Auch nach mehr als 30 Jahren Abstand zur Erstausgabe, hat Stephen R. Coveys Weltbestseller der Management-Literatur nicht an Strahlkraft eingebüßt. "Die 7 Wege zur Effektivität" wirken aktueller denn je und passen genau in unsere unruhige Zeit.
Es gibt Bücher, die man in seinem Leben mehrfach liest. Es wird bei Ihnen ähnlich sein wie bei mir. Es sind nicht viele, aber es gibt sie, diese in jeder Hinsicht durchschlagenden Lektüren wertvoller Bücher. Ich habe jetzt zum dritten Mal "Die 7 Wege zur Effektivität" komplett gelesen. Von der ersten bis zur letzten Seite. Und wieder las ich den Welt-Klassiker der Management-Literatur anders als in den Jahren zuvor. Das Leben prägt solche Lektüren. Je anders.
Die "7 Wege" sind seit ihrem ersten Erscheinen 1989 vielfach beschrieben, rezensiert und rezipiert worden. Vor allem haben sie unzählige Leser in allen Ländern der Welt gefunden. Das Buch ist weit über 30 Millionen Mal verkauft worden, durch zahllose Hände gegangen, unzählige Management-Seminare wurden nach seinen Lehren veranstaltet.
Die "7 Wege" müssen daher an dieser Stelle nicht im Detail erneut ausgebreitet werden. Es genügt, sie sich kurz in Erinnerung zu rufen. Die ersten drei zahlen auf die persönliche Entwicklung ein: Pro aktiv sein - schon am Anfang das Ende im Sinn haben - das Wichtigste zuerst tun. Diese drei Wege führen nach Stephen Covey von der Abhängigkeit in die Unabhängigkeit. Hierauf lässt sich der von ihm sogenannte "öffentliche Erfolg" aufbauen - im Beschreiten von drei weiteren Wegen: in Gewinn/Gewinn-Perspektiven für alle Beteiligten denken - erst den anderen verstehen und erst danach selbst verstanden werden - Synergie finden (für neue, für dritte Wege). Diese Dimension erschließt sich erst und nur im Zusammenwirken mit anderen, führt daher zu einer "Interdependenz". Diese ist aber nichts als zwanghaft zu verstehen. Es ist eine positive gegenseitige Abhängigkeit, von der aber alle durch reichhaltige Lösungen profitieren. Der 7. Weg ("die Säge schärfen") meint in einer hierzulande gebräuchlichen Formel im Grunde das lebenslange Lernen - und Trainieren, wie Stephen Covey jetzt gewiss ergänzen würde, gemeint in seiner körperlichen, mentalen, spirituellen Dimension.
Gelesen hatte ich in diesem Buch schon oft. Aber erst jetzt, bei der dritten Komplettlektüre, erschloss sich mir das erste, der Entfaltung der sieben Wege vorgeschaltete Kapitel "Paradigmen und Prinzipien", gelesen am 12. Tag nach Ausbruch eines Krieges (Ukraine) - in seiner ganzen gedanklichen Wucht und Intensität. Wer diesen Weg wirklich aufnimmt, geht einen ganz anderen Weg als er in zahllosen Weiterbildungs-Seminaren zur persönlichen Kommunikation vermittelt wird: "Die 7 Wege sind keine Versatzstücke von irgendwelchen Formeln von Psycho-Fitness. Sie stehen im Einklang mit den natürlichen Gesetzen des Wachstums und eröffnen uns den Zugang von persönlicher und sozialer Effektivität" (S. 60).
Mit Covey lernt man eben keine Sozialtechniken, wie man sich besser präsentiert und einen sympathischen Eindruck hinterlässt, um mehr persönlichen Erfolg zu generieren. Darum geht es dem Erfolgsautor nicht. Sein Blick: Ein erfolgreiches Leben ist ein sinnerfülltes Leben. Das auf Werten beruht. Und auf Integrität und Charakter. Das hat etwas mit Entwicklung und Reife zu tun. Wer nur vordergründige Sozial- und Kommunikationstechniken lernen will, für den ist dieses Buch gar nichts - außer einer reinen Provokation. Die "7 Wege" sind keine Sozialtechniken. Sie sind Wege zu einer Orientierung an Prinzipien. In der deutschen Übersetzung ist das in dem etwas missverständlich übersetzten Gegensatz von "Persönlichkeits-Ethik" und "Charakter-Ethik" ausgedrückt. Letzteres ist das Kernanliegen Coveys.
In der sogenannten "Persönlichkeits-Ethik", geht es um das Erlernen von kommunikativen Techniken und Skills, mit denen man einen guten Eindruck erzeugen kann. Der gewinnend ist und einen schönen Schein nach außen vermittelt. Und, in den Worten Coveys, ein künstliches Lächeln zeigt, kein ehrliches, von innen und von Herzen kommendes. Aber das ist, so wie hier beschrieben, eigentlich gar keine Ethik. Sondern vielmehr öffentliches Eindruck-Schinden, nicht frei von Manipulation. So wie das heutzutage vieler Menschen in ihren Social Media Accounts machen.
In der "Charakter-Ethik" Coveys geht es um ganz etwas anderes: "Mit Techniken wie 'Gewinn/Gewinn-Verhandlungen' oder 'Aktivem Zuhören' allein lässt sich kein öffentlicher Erfolg erringen, wenn diese nur auf das eigene Image ausgerichtet sind und den Charakter vernachlässigen" (S. 236). Es geht Covey aber nicht darum zu vermitteln, wie man gut "rüberkommt". Sein Anliegen ist, wie man es schafft, gut zu s e i n. Dahin will er uns führen. Das zu vermitteln, ist das Kernanliegen der "7 Wege", vor über 30 Jahren und auch heute. Wenn man das Buch nur richtig liest. Covey geht es um Wege des persönlichen und zwischenmenschlichen Wachstums, in der stetigen Orientierung an zeitlosen, allgemeingültigen Prinzipien. Diese Prinzipien hat er als "Naturgesetze" bezeichnet, die in allen Kulturen und Weltreligionen vergleichbar präsent sind. Gemeint sind zum Beispiel Fairness, Integrität, Ehrlichkeit, Würde des Menschen, Dienen, Beitrag zum Gemeinwohl, Orientierung an Qualität und Spitzenleistungen u.a..
Wir erleben Zeiten, beherrscht von einer Pandemie und neuen Kriegsgefahren, in denen wir auf hartem Weg neu in der Wirklichkeit aufwachen. In denen auf einmal für viele völlig neu erfahrbar wird, dass es das wirklich gibt, den Unterschied zwischen Gut und Böse, zwischen richtig und falsch. Eine Phase, in der viele ihrer Prioritäten überdenken, kritisch reflektieren und neu ausrichten. Das ist keine schlechte Zeit, um Stephen R. Coveys Longseller auch Jahre nach seinem Tod in die Hand zu nehmen. Das Buch wirkt aktueller denn je und passt genau in unsere Zeit. Wer eine Führungskraft sein oder besser sich dazu entwickeln möchte, die andere nicht einfach kommunikativ für sich einnehmen, sondern wirklich inspirieren will, der möge auch morgen noch nach diesem Buch greifen.
Markus Kiefer
(Kolumne von Markus Kiefer vom 15. August 2022 auf www.markus-kiefer.eu)
Empfehlung
Stephen R. Covey, Die 7 Wege zur Effektivität. Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg, GABAL, Offenbach, 56. Auflage 2020, 414 S. ISBN 978-3-86936-894-8, ? 24,90