Bonus, Prämien, Incentives - lasst das alles weg! - 30 Jahre

Bonus, Prämien, Incentives und alle sonstigen Formen von Anreizsystemen, lasst das alles weg! Es ist ein falscher Weg der Mitarbeitermotivation. Schrieb Management-Vordenker Reinhard K. Sprenger vor 30 Jahren. Und erneuert sein Votum in der aktuellen Jubiläumsausgabe.

Vor nunmehr 30 Jahren geschrieben, ist "Mythos Motivation" inzwischen fast schon ein Klassiker der Management-Literatur. Sein Autor, Reinhard K. Sprenger, hat heute fast schon selber Legendenstatus. Als Bestsellerautor in der deutschsprachigen Management-Literatur. Als Berater, der in den Chefetagen der führenden deutschen Großunternehmen und Konzerne Dauergast war und ist. 

Als der promovierte Philosoph und hochkarätige Experte der Führungskräftekommunikation sein Buch erstmals veröffentlichte, wurde es vor allem als Verriss der vorherrschenden Management-Stile rezipiert. Zu viel Taylorismus, zu viel Autorität, zu viel Ansage von oben. Und vor allem: viel zu viel Anreizsysteme zur Motivierung der Mitarbeiter. Aber diese, so Sprenger, brauchen das alles nicht. Denn sie sind schon motiviert, wenn sie das Unternehmen betreten. Was sollen all die Boni, Leistungs-Prämien, erfolgsabhängige Vergütungssysteme, Incentives, ausgeklügelten Vergütungssysteme? Alles Folge eines falschen Menschenbildes und eines misstrauischen Führungsstils, so die scharfkantige Analyse. 

Wenn er zur Beratung in Unternehmen gerufen wurde, sei er zu Beginn immer mit der gleichen Frage konfrontiert gewesen: Was muss ich tun, um meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren? Zeigen Sie mir bitte Wege, Maßnahmen und Instrumente auf! Der falsche Weg, so der promiente Berater, und antwortete mit der Gegenfrage an die Führungskraft: Wenn denn Deine Mitarbeiter so wenig motiviert sind, was hast du denn gemacht, um sie dorthin zu bringen?  

Jedes Bonussystem ein Schlag ins Gesicht von leistungswilligen Belegschaften. Die falsche Botschaft: Ich weiß, dass Du mir nicht die volle Leistung gibst und daher bekommst Du zu Deinem Gehalt dieses oder jenes nur, wenn Du noch ... Schafft all das ab, forderte Sprenger schon damals. Und er tut es heute auch noch mit der gleichen Vehemenz - und mit noch größerer Überzeugung. Der überarbeiteten Neuauflage von 2010 hatte der Management-Vordenker schon eine bitterböse Analyse der Finanzkrise 2008/2009 hinzugefügt. Und in der nun vom Campus Verlag vorgelegten, limitierten Sonderausgabe, setzt er noch einen drauf. Es sind noch zwei gewichtige Kapitel ergänzend aufgenommen worden. Kritisch setzt sich Sprenger mit dem viel beachteten "Nudges"-Ansatz von Wirtschafts-Nobelpreisträger Richard Thaler und dessen Co-Autor Cass Sunstein auseinander. Aus Sprengers Sicht sind auch diese vermeintlichen "Anstupser" letztlich nur verdeckte, im Kern unethische Manipulationen, von Belegschaften ebenso wie von Steuerzahlern.  Im ausführlichen Nachwort greift der Autor die wissenschaftliche Debatte und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre auf und sieht sich vielfach bestätigt.

Was ist die Antwort auf alle die scharfsichtig beschriebenen Defizite in Unternehmen? Es ist das richtige Verständnis moderner Führung. Sprenger weist darauf hin, dass bei der Aufnahme seines Buches stets die Kritik an der vorherrschenden Management-Praxis im Vordergrund der Rezensionen und Zitationen gestanden habe. Es gäbe aber noch einen dritten Teil und hier seien seine Antworten im richtigen Verständnis von Leadership: Führt die Leute, mit Achtung, Wertschätzung und Respekt. Hört Ihnen mehr zu, macht weniger Ansagen. Entdeckt die Werte und Motivation und Bindung, die sie mitbringen. Setzt dort an, legt Euer falsches, misstrauisches Menschenbild ab. Traut Euren Leuten und traut ihnen etwas zu -  und ermutigt ihre Eigenverantwortung!

Damit trifft Sprenger nicht nur die Erwartungshaltung der herangewachsenen Generationen "Y" und "Z". Er steht damit auch in bester Gesellschaft von Autoren mit ähnlicher Argumentation, mit weltweiter oder zumindest internationaler Reputation, wie z.B. Steven R. Covey (Die 7 Wege effektiver Führung), Amy Edmondson (Die angstfreie Organisation) oder Wolfgang Jenewein (High-Performance-Teams) - um nur drei zu nennen.   

Die Entwicklungen in der fachwissenschaftlichen Debatte, in der Gesellschaft, in der Unternehmensführung haben Reinhard K. Sprenger vielfach bestätigt. Und deswegen liest sich der an sich ja schon relativ alte Text sehr frisch. Daher: Wer sein Verständnis moderner Führungskräftekommunikation erst selbstkritisch analysieren und dann auf ein neues, zeitgemäßes Niveau weiterentwickeln, anheben möchte, der liegt hier richtig. 

Markus Kiefer

(Kolumne von Markus Kiefer vom 15. März 2022 auf www.markus-kiefer.eu)

Empfehlung 

Reinhard K. Sprenger, Mythos Motivation. Wege aus einer Sackgasse. Sonderausgabe, Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2021, 323 S., ISBN 978-3-593-51485-7

Erschienen am 15/03/2022 09:48
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Für Sie gelesen
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