Der Beste zu sein - ist vielleicht nicht gut genug

Horst Schulze, der Ex-CEO der Ritz Carlton-Gruppe berichtet über den Weg der Luxushotels an die Weltspitze.

Wenn Unternehmen an ihrer Vision arbeiten, sie überarbeiten oder vielleicht sich erstmals dieser Aufgabe stellen, dann liegt es für die Ehrgeizigen unter ihnen nahe, eine Zukunftsvorstellung zu beschreiben, in der sie die Besten sind. Regional, Deutschlandweit, Europaweit oder gar weltweit. Der oder die Beste oder die Besten zu sein, wer wollte das nicht und was wäre gegen eine solche Vision einzuwenden? Nun, was wäre, wenn ein tatsächlicher oder potentieller Kunde oder Investor denkt: Nun gut, es mögen die Besten sein, aber die Besten in einem ansonsten ziemlich üblen Haufen? 

Das Beste zu sein, das ist vielleicht manches Mal nicht gut genug. Was wäre mehr? Exzellenz! Der Beste zu sein bedeutet noch nicht zwangsläufig Exzellenz, die absolute und herausragende Spitzenleistung. 

Diesen Unterschied klarzumachen, dazu ist kaum ein Manager besser prädestiniert als Horst Schulze. Der Westerwälder Spitzenhotelier, der in die USA auszog, um Ritz Carlton zur besten Hotel-Gruppe der Welt zu machen. Jener Horst Schulze, der das legendäre Credo der Ritz Carlton-Hotels erfand: "We are Ladies and Gentlemen, serving Ladies and Gentlemen". Eine Unternehmens-Mission, wie gemalt für jedes Marketing-Lehrbuch, insbesondere für das Dienstleistungs-Marketing. Wie dieser Grundsatz der Unternehmensgruppe mit Leben gefüllt wurde, das beschreibt der Luxushotel-Manager (und sein Mitautor Dean Merrill) auf diesen kurzweiligen 257 kurzweiligen Seiten, zuzüglich sechs Seiten Anmerkungen und (wissenschaftliche Quellen).

Die Lebendigkeit des Buches entsteht dadurch, dass Schulze das Thema zwar systematisch in drei Teilen entfaltet: Kundenzufriedenheit stärken, Mitarbeiter einbinden, Führungskraft entfalten. Aber die Systematik der Gedanken und Regeln gewinnt an Kraft durch die zahllosen Anekdoten und konkreten Situationen, die Schulze dem Leser plastisch vor Augen stellt. Und aus denen er die Regeln ableitet oder eben ihr Funktionieren beweist. 

Allein schon die persönlichen Erfahrungen und individuellen Erkenntnisse dieses Weltklassemanagers aufzunehmen, rechtfertigt die komplette Lektüre des Buches. Aber man taucht auch tief in die Exzellenz-Welt des Hotel-Konzerns ein. Beispielsweise sind die 24 Service-Standards der Gruppe abgedruckt. Jeder Ritz Carlton-Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter trägt diese auf einer Karte in der Dienstkleidung mit sich. Und jede(r) wirft vor Beginn einen Blick darauf. Diese Standards sind ebenso auf Grundwerte bezogen wie auf sehr konkrete Umsetzung. Es sind eben keine abstrakten Sätze, sondern anwendungsorientierte. Ein Beispiel? Grundsatz 8: "Nimm Gäste immer wahr. Unterbrich alles, was Du gerade tust, wenn ein Gast sich auf drei Meter nähert, grüße ihn mit einem Lächeln und biete Deine Hilfe an". Oder Nr. 5: "Telefonanrufe werden innerhalb der ersten drei Klingeltöne mit einem Lächeln in der Stimme angenommen." Wer so arbeitet, macht den Unterschied zur Konkurrenz. Exzellenz ist nicht einfach künstliche Eleganz. "Eleganz ohne Wärme ist Arroganz", so hat es Schulze in dem Buch unübertrefflich ausgedrückt. 

Wer allerdings glaubt, die Ritz Carlton-Belegschaft bekommt hier ein enges Korsett zum Abliefern der 5-Sterne-Qualität, der irrt. Es war Schulze, der die Organisationsregel erfand, jede, wirklich jede Mitarbeiterin oder Mitarbeiterin habe die Vollmacht, bei einem unzufriedenen Kunden im Rahmen von 2.000 US-Dollar Wiedergutmachung zu leisten. Von seinen Shareholdern befragt, ob das nicht etwas zu viel Geldverschwendung sei, entgegnete der Hotelmanager mit dem durchschnittlichen Lebens-Kundenwert seines Hauses, nämlich 100.000 US-Dollar. Er sei sogar bereit, mehr als 2.000 Dollar auszugeben, um einen solchen Kunden zu halten.

Blickt man auf die Frage des WIE einer solchen Exzellenz-Kultur, dann fällt auf, welch großen Wert Schulze dem individuellen, persönlichen Gespräch beimisst, unter vier Augen aber auch in Teambesprechungen, bei Instruktionen, bei Weiterbildungen, bei Workshops. Was die Ritz Carlton-Mitarbeiter lernen, das läuft nicht über schriftliche Schulungsunterlagen oder Intranets. Es wird persönlich vermittelt.

Der Autor ist gewiss das Beispiel eines typischen Selfmade-Weltklasse-Manager. Dennoch sind dies alles nicht einfache Horst Schulze-Weisheiten. Auf jeder Seite ist zu spüren, dass hier jemand geistig-intellektuell reflektiert und gerungen hat, konsequent betriebswirtschaftlich denkt, aber ethisch gebunden, bei Schulze dezidiert christlich gebunden, wie das sehr persönliche Schlusskapitel über seine Krebserkrankung bewegend offenbart. Das Buch bezieht sich auf große Management-Vordenker (Jim Collins, Peter Drucker, Stephen Covey, Tom Peters u.a.) ebenso wie auf große Ethiker (Aristoteles, Bibel). Hier schöpft jemand nicht nur aus eigenem Erleben, sondern aus tiefen Quellen.

Das Buch erinnert in gewisser Weise an den klassischen Management-Weltbestseller "Spitzenleistungen" von Peters und Waterman. Ich erinnere mich an eine Begebenheit, von der Tom Peters dort berichtete. Als die Passagierin einer der großen US-Airlines ganz plötzlich in große familiäre Schwierigkeiten geriet und dringend umbuchen musste (was in der kurzen Zeitspanne mehr als schwierig war), erschien in letzter Minute der CEO der Fluglinie persönlich mit dem umgebuchten Ticket und brachte die Passagierin zum richtigen Gate. Peters schrieb damals, je mehr er und sein Kollege in die Innenwelt der besten Unternehmen der Welt eintauchten, desto mehr stießen sie auf solche tatsächlichen Geschichten. Die besten der besten Unternehmungen waren voll von solchen Geschichten.

Und ebenso voll von solchen Geschichten der Exzellenz ist das hier vorgestellte Buch. Insofern ist es ein aktueller Spitzentitel der Management-Literatur, mit reichen Beiträgen zu Kundenorientierung, Service-Orientierung, Spitzenleistung, aber auch zu Unternehmenskultur, Mitarbeiterkommunikation und Führung.

Markus Kiefer

(Kolumne von Markus Kiefer vom 15. März 2021 auf www.markus-kiefer.eu)

Empfehlung

Horst Schulze/Dean Merrill, Fünf-Sterne-Service. Werden Sie die Besten in einer Welt voller Kompromisse, Campus, Frankfurt a.M. 2020

 

Der Beitrag ist eine Teil-Veröffentlichung aus dem neuen Buch von Markus Kiefer. Erschienen Mitte März 2021 im Rechtsverlag/Hötzel, RFS & Partner, Düsseldorf und Stadtlohn 2021

 

https://rechtsverlag.de/unternehmenskommunikation/25/kommunikations-kompetenz?c=12

Erschienen am 15/03/2021 08:34
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Für Sie gelesen
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