Die Vierte Welle - zur staatlichen Corona-Kommunikation
Wie ist die staatliche Kommunikation zur Vorbereitung der Bürger auf den Herbst 2021 zu bewerten? Derzeit allenfalls ausreichend.
Wie lässt sich die Vorbereitung der Bundesbürger auf den Corona-Herbst 2021 durch ihre Bundes- und Landesregierungen bewerten?
Als Schulnote ist allenfalls ein "Ausreichend" zu rechtfertigen. Man wird das Verhalten der Bürger durch eine kommunikative Drohkulisse von "Vierter Welle" und "gefährlicher Delta-Variante" und Andeutungen von - zuvor ja monatelang kategorisch ausgeschlossener! - Impflicht sicher nicht adäquat steuern können. Die Bürger sind der ständigen Warnungen und Mahnungen müde. Der Glaubwürdigkeit staatlicher Kommunikation hat es auch sicher keinen Auftrieb gegeben, dass urplötzlich eine Zielmarke von 85 % Durchgeimpfter als Voraussetzung einer - dann vielleicht - wirksamen Herdenimmunität ausgegeben wurde. Nachdem es zuvor monatelang erst geheißen hatte, 60 % seien für Herdeimmunität genug, wenn auch 70 % besser wären. Man mag das vielleicht noch mit wissenschaftlichem Erkenntnisfortschritt erklären. Eine konsistente und dadurch wirksame Kommunikation ist dies dennoch nicht.
Viel zielführender wäre es gewiss, wenn die staatliche Kommunikation von Bund, Ländern und Kommunen sich gemeinsam auf eine positive, möglichst plastisch ausgemalte und den Bürgern vor Augen geführte Vision des Zielzustandes einigen könnte, die dann mit allen Kräften und auf allen Kanälen kommuniziert würde. Also eine Verheißung statt einer Drohung. Dies sollte verbunden werden mit dem Appell an den Gemeinschaftssinn der Bürger, und warum nicht auch an den Nationalstolz der Deutschen, um die Kraftanstrengung zu schultern - als Gemeinschaft. Wie viel Potential hier in den Deutschen steckt, das zeigt doch die großartige Welle der tatkräftigen Solidarität, die seit der Flutkatastrophe an der Ahr durch Deutschland läuft. Die Menschen helfen bundesweit, weil sie sich als eine Schicksalsgemeinschaft begreifen, als ein Volk. Merkwürdig und seltsam, wie wenig die Politik diese Haltung in der Corona-Zeit effektiv adressiert. Merkwürdige Verklemmtheit, noch immer, 67 Jahre nach Ende des Missbrauches von Nationalbewusstsein durch die Nationalsozialisten.
Auch in Bezug auf das Erreichen der Impfquote von 85 % sollten die Regierenden in diese Richtung denken. Nicht durch die Androhung von Druck und Pflicht, sondern durch positive Motivation.
Und nicht zuletzt sollten die Regierenden endlich öffentlich darlegen, wer denn, außer denen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen dürfen, diejenigen sind, die in Bezug auf Impfung bewusst abseits stehen bleiben - von deutschen Corona-Leugnern und Verschwörungs-Theoretikern bis hin zu bewusst nicht integrierten Zuwanderern und Asylanten, von nicht geimpften "Urlaubsrückkehrern" aus dem Westbalkan (Kosovo!) und der Türkei, über Clans und Großfamilien arabischer Herkunft bis hin zur vermutlich gar nicht geringen Zahl von Illegalen oder Geduldeten, die sich derzeit im Bundesgebiet aufhalten - allesamt Gruppen, die über klassische Kommunikationsmedien kaum oder gar nicht erreicht werden können. Vor dem Hintergrund des angestrebten Ziels macht es ja gar keinen Sinn, hier Tabus einzurichten. Denn die Bevölkerung ahnt ja zumindest all das auch. Die Problemgruppen, die am Ende den Impferfolg verhindern können, weil ihre Zahl in der Summe zu groß ist, sollten offen benannt werden. Sie sollten im Scheinwerferlicht der öffentlichen Debatte stehen, damit gesellschaftlicher Erklärungsdruck erzeugt wird, warum sie sich der gemeinsamen Zielsetzung verweigern. So lange dieser Druck nicht da ist, wird die Impfkampagne in diesen Gruppen und der Gesamterfolg der Kampagne möglicherweise an diesen Gruppen scheitern. Das ist aber aus Sicht der Gesamtgemeinschaft kaum akzeptabel.
Daher sollten die politisch Verantwortlichen neue Strategien entwerfen, wie diese Gruppen zumindest teilweise überzeugt oder sonst wie gewonnen werden können, sich der Impfkampagne für ganz Deutschland anzuschließen. Wer nicht mitmachen will und dies persönlich, offen, nachvollziehbar macht so wie beispielsweise der bayerische Wirtschaftsminister, der wird dann auch gehört und sicher von den meisten respektiert werden.
Je offener und je öffentlicher all dies geschieht und in öffentlichen Arenen diskutiert wird, umso besser ist es im Interesse der Sache: nämlich ein Sieg über die Pandemie in Deutschland, als Ergebnis gemeinsamer und solidarischer Kraftanstrengung aller, egal welcher Herkunft und Nationalität. Von einer solchen Kommunikationsstrategie sind allerdings Staat, Behörden und Parteien derzeit leider meilenweit entfernt. Um der staatlichen Kommunikationsstrategie mindestens eine Schulnote "befriedigend" geben zu können, fehlt da vor allem das Ablegen der Verkrampfung - sowohl mit Blick auf das offene Adressieren von Problem-Gruppen in der Bevölkerung als auch in dem mangelnden Willen, zu einer ebenso moralischen wie gesamtgesellschaftlichen ebenso wie nationalen Kraftanstrengung aufzurufen. Beides muss jedoch zwingend zeitnah geschehen - wenn wir die "Vierte Welle" flach halten wollen.
Markus Kiefer
(Kolumne von Markus Kiefer vom 1. August 2021 auf www.markus-kiefer.eu)