Digitale Auszeiten im Remote-Modus gezielter einplanen
In der Pandemie sind viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice in einer digitalen Dauerbereitschaft. Hier ist Handlungsbedarf für die Personalmanager und Verantwortlichen in der Internen Unternehmenskommunikation.
Mit Blick auf die kommenden Wochen und Monate, sollten die Personal-Verantwortlichen und die Manager der Internen Unternehmenskommunikation für das folgende Szenario planen. So sehr wir alle uns Lockerungen wünschen, so sehr ist jedoch gleichfalls erkennbar, dass der mehr oder weniger harte Lockdown d a s zentrale Steuerungs-Instrument der deutschen Politik schlechthin ist. Das wird auch so bleiben, bis eine Herdenimmunität in der Bevölkerung erreicht wird. Erst recht, bei einer dritten Viruswelle. Oder sollten die Virusmutationen weitere Unwägbarkeiten bringen. Alle Verantwortlichen in der Organisations- und Unternehmenskommunikation sollten das realistisch sehen, ohne Illusion und Wunschdenken.
Das bedeutet in der Konsequenz noch mehr und noch längere Homeoffice-Zeiten. In den kommenden Wochen der noch nicht endenden kühleren Jahreszeit.
Doch, in welcher Stimmung befinden sich die wohl meisten der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? In den Familien werden sich zunehmend Überreiztheit und Überforderung breit machen, angesichts von zusätzlichem Stress durch fortgehendes Homeschooling. Bei den zahlreichen Single-Haushalten muss eher von zunehmender Negativstimmung durch Isolation und Vereinsamung ausgegangen werden. Und dies alles bei eher ausufernder Zeit vor PC, Tablets und Smartphones. Die Berichte von wachsenden Anforderungen und ausgeweiteter Arbeitszeit infolge pausenloser Videokonferenzen sind überall lesbar und greifbar.
Wie sollte die Gegensteuerung von Personal- und Kommunikationsverantwortlichen aussehen?
Grundlage ist ein empathisches Hineinversetzen in die Situation der Belegschaft an den heimischen Bildschirmen. Ein zentrales Signal wäre die Botschaft, eine "Always-on"-Haltung werde gar nicht erwartet. Im Gegenteil sollten die Verantwortlichen darauf hinarbeiten, dass die an Bildschirmen verbrachte Zeit und Kommunikation nicht in einen digitalen Dauer-Arbeits-Modus münden darf.
Dauerhafte Ausgelaugtheit bis hin zu Burnout-Symptomen wären so vorprogrammiert. Geht man realistischerweise davon aus, dass der langen Arbeitszeit am heimischen digitalen Arbeitsplatz dann in der Freizeit noch der Wechsel auf Fernsehbildschirm, Netflix und stundenlange Social Media-Nutzung auf letztlich viel zu kleinen Smarthone-Displays folgt - dann wird der Anteil der digitalen Aktivitäten am Tageszeitbudget viel zu hoch.
Dem muss gegengesteuert werden. Im Interesse der psychischen Gesundheit der Betroffenen. Aber auch genauso im Interesse der Firmen. Denn mit Blick auf Problemlösungen und Innovationen: Welches Kreativitäts-Potential ist noch von Mitarbeitern zu erwarten, die fast nur noch am Bildschirm hängen? Und deren Vitamin D-Haushalt in den Keller rutscht, weil sie gar nicht mehr oder jedenfalls viel zu wenig Tageslicht und (wenn vorhanden) Sonnenlicht abbekommen? Zumal, das Frühjahr ist ja noch weit entfernt.
Was ist zu tun? Natürlich dürfen Firmen von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein gewisses Maß an Selbstachtsamkeit erwarten. Aber, wie schnell ist man dennoch in digitale Dauer-Kommunikation abgerutscht! Keiner von uns ist davor gefeit.
Daher wäre es gut, wenn die Unternehmen kommunizieren, dass sie sich nicht nur der Situation bewusst sind. Dass sie eben nicht eine digitale Dauerbereitschaft erwarten. Und dass sie ihre Betriebsangehörigen ermuntern, ihre Tage im Homeoffice ganz bewusst neu zu planen. Mit gezielten digitalen Auszeiten und Erholungszeiten. Mit Abschnitten von Erholung und Entspannung. Mit Zeiten für Meditation, Entspannung oder privatem Gebet (ja, Kirchen sind meistens auch in Corona-Zeiten außerhalb der Gottesdienstzeiten geöffnet und leer). Mit Fitness-Einheiten, mit Yoga, mit Sport und Trainings innerhalb und außerhalb der eigenen vier Wände. Und dies insbesondere nach einem bewusst gesetzten Feierabend-Endpunkt im Homeoffice (falls keine abendliche Ausgangsbeschränkung durch die Behörden angeordnet). Mit Spaziergängen und Wanderungen im Freien. Mit aktivem Medienwechsel. Mit der Ermunterung auch mal zu einem analogen Telefonat. Zum Rückzug, falls möglich, an einen ruhigen Ort, mit dem guten alten Buch, einer Zeitung oder mit Zuwendung zum CD-Player.
Jeder von uns weiß, dass so ein ausgleichendes Verhalten zur digitalen Dauerschleife gut für uns wäre, es uns guttun würde. Aber erstens vergessen wir das schnell wieder im Alltag. Und zweitens würden entsprechende Ermutigungen durch den Arbeitgeber sicher für eine viel bessere Umsetzung sorgen.
Dies alles ließe sich bündeln, indem Betriebe ihren Angehörigen ein ernst gemeintes, individuelles Gesprächs- und Beratungsangebot machen würden. Konkret: eine vertrauliche telefonische Beratung mit vielleicht gemeinsamer Analyse des geänderten Arbeitsalltags, mit gemeinschaftlichem Nachdenken über Abbau der Überlastungen und des Über-Stresses.
Und dies müsste keinesfalls immer die Form eines Beratungsgesprächs oder Telefonats unter 4 Augen und Ohren haben. Hier könnte tatsächlich noch einmal der virtuelle Kanal eine Option sein. Beispielsweise könnten die Unternehmen Zusatzangebote von virtuellen Cafés schaffen, in dem man sich in aller Ruhe mit Gleichgesinnten in ähnlichen Problemlagen austauschen könnte, Erfahrungen und Best Practice-Beispielen einbringen und von anderen annehmen könnte. Souverän wäre es, wenn Firmen solche digitalen Begegnungsmöglichkeiten innerhalb und außerhalb der üblichen Betriebsarbeitszeiten schaffen würden. Dies wäre eine leichte, lockere und leicht umsetzbare Alternative zum persönlichen Beratungsgespräch mit einem Firmen-Verantwortlichen. Vielen wäre das vielleicht die angenehmere Variante.
Dergleichen seitens der Unternehmen anzubieten, das wäre arbeitgeberseitig ein Zeichen von Empathie und Verständnis. Es arbeitnehmerseitig anzunehmen, wäre keines falls ein Ausweis von Schwäche, sondern von Klugheit.
Markus Kiefer
(Kolumne von Markus Kiefer vom 1. März 2021 auf www.markus-kiefer.eu)