Ein Powerpaket zur Internen Kommunikation

Diese Sammelrezension vereinigt 5 aktuelle Fachtitel zur Internen Unternehmenskommunikation.

Eine Sammelrezension zur Internen Kommunikation, mit gleich fünf Fachtiteln? Ist das nicht ein bisschen viel vom Gleichen, mögen die geneigten Leserinnen und Leser fragen? Vielleicht, aber andererseits, haben nicht gerade die schlimmsten Monate der Pandemie und der Homeoffice-Zwang überdeutlich gezeigt, wie sehr es einer gelingenden Kommunikation mit der eigenen Belegschaft als Erfolgsfaktor für die Zukunftsfestigkeit von Unternehmen und Institutionen bedarf? Und es gibt ja viele weitere, seit langem auf der Hand liegende Gründe, dem Kompetenzaufbau in der internen Kommunikation größere Beachtung zu schenken. Allen voran der "War for Talents", der drängende Wunsch der Generationen Y und Z nach einer offeneren und dialogischen Kommunikation von Unternehmen und Organisationen und der offenkundige Wunsch, Arbeiten nachzugehen, deren Bedeutung und Sinnhaftigkeit deutlich vermittelt wird. Das Vorwärtsdrängen von Agilität und New Work, weit über die IT-Branche hinaus. Die Digitalisierung von Kommunikation und die hier ermöglichten vielfältigen neuen Kommunikationsformate. Diese Aufzählung könnte fortgesetzt werden.

Welche Impulse kann die Fachwissenschaft und die führenden Fachleute der Internen Kommunikation in diesen Zusammenhängen bieten? Schauen wir auf fünf neue Publikationen, mit ganz unterschiedlichen Zugängen zum Themenfeld, in der Reihenfolge ihres Erscheinens.

 

Astrid Nelke, 30 Minuten Interne Kommunikation, GABAL, Offenbach 2022, 94 ISBN 978-3-96739-108-4, 9,90 Euro

Gut geeignet zur Einführung ist Astrid Nelkes schmales Paperback aus der GABAL- Reihe "30 Minuten". Die erfahrene Wirtschaftspsychologin, Hochschullehrerin (derzeit Hochschule für Angewandtes Management, HAM) und Beraterin gibt einen leicht lesbaren und schnellen Überblick in drei Teilen. Zunächst bereitet sie das Feld der Unternehmenskommunikation auf und schafft den hier angemessenen Raum für die Interne Kommunikation.  Dann geht sie genauer auf die Interne Kommunikation ein, ihre heute leitenden Prinzipien und sie stellt sowohl klassische analoge (Mitarbeiterzeitung) wie auch digitale Instrumente (Social Intranet) kompakt vor. Dann zeigt sie den Stellenwert der Internen Kommunikation in bedeutenden Feldern der Unternehmenskommunikation wie Change- und Innovationskommunikation auf. Sehr innovativ ist dann der abschließende Part mit einem (anonymisierten) Beratungsprojekt aus dem eignen Portfolio der Verfasserin. Es ist ein beeindruckendes Fallbeispiel aus der Start Up-Szene, mit sehr modernen, teilweise spektakulären Beispielen von zeitgeistigen Kommunikationsformen, sowohl in der Homeoffice- als auch in der Präsenz-Variante. Sichtbar wird eine sehr lockere Form von Kommunikation, in der auch der private Austausch und Informelles sehr gefördert wird. Wer noch nichts von der Tätigkeit eines "Chief Happiness Officers" gehört hat, lernt hier, wie eine zuständige Person im Unternehmen dafür sorgt, dass und wie Emotionen und Gefühle auf die Agenda des organisierten Unternehmensgespräches kommen.

Beachtlich, wie Nelke trotz der Knappheit des Volumens, seriös die maßgebliche Fachliteratur ausschöpft. Sie gibt stets mehr als nur eine Definition wichtiger Begriffe, macht so Akzentuierungen relevanter Stimmen aus Wissenschaft und Praxis sichtbar. Aber das franst nie aus. Durch zusammenfassende Kernsätze und Fazits an den Kapitelenden behält man als Leser die Orientierung bzw. gewinnt diese schnell zurück.

Besondere Stärke des Buches: Sortierung des Themenfeldes, eindeutige Klärung von Begriffen. Die praktische Umsetzung bleibt außen vor. Das ist aber auch nicht der Anspruch des Buches. 

Besondere Eignung des Buches für: Studierende, insbesondere auf Bachelor-Niveau und jüngere Personalverantwortliche in kleinen und mittelgroßen Betrieben, die das Gefühl haben, sie müssten mehr in die Qualität der Kommunikation mit ihren Mitarbeitenden investieren.

 

Kooperationsprojekt Staffbase Gmbh und buchele cc GmbH, Vom ROI der internen Kommunikation. Ein Pfad durch den Dschungel aus Zielen, Strategie, Kennzahlen, Daten und KPI. Verfasst von Lisa-Marie Trabitzsch, Mark Steffen Buchele, unter Mitarbeit von Juliane Kiesenbauer und Sina Kaye Lockley, Leipzig 2022, 83 S., kein Verkaufspreis (ist als E-Book frei downloadbar)

 

So sehr sich die Fachwissenschaften über die wachsende Bedeutung der Internen Kommunikation einig sind, so sehr sind sie sich uneinig in der Frage, ob und wie der Erfolg dieser Kommunikation (eindeutig) messbar ist. Dieser Frage nimmt sich ein Gemeinschaftsprojekt zweier sehr namhafter Agenturen an. Beide beraten und führen vor allem große Unternehmen in der Digitalisierung von Kommunikation. Mark-Steffen Buchele, sicher Hauptautor des Bandes anzunehmen, ist darüber hinaus namhaft als Hochschuldozent (Universität Leipzig) und als Leiter des renommierten Arbeitskreises "Wertschöpfung durch Kommunikation" der Deutschen Public Relations Gesellschaft. Und hierum geht es auch in dem ebenfalls 2022 veröffentlichten Band, um die ökonomisch-betriebswirtschaftliche der internen Kommunikation, um den Return on Investment (ROI), um Wertschöpfung durch Kommunikation. Es geht um Messmerkmale und um Key Performance Indicators (KPI?s). Also ein eher trocken-kompliziertes Buch aus dem Kommunikationscontrolling? Mitnichten! Es ist ganz im Gegenteil ein sehr lebendiges Buch mit einem äußerst innovativen Ansatz. 

Eine Fallstudie wird hier nämlich in Form einer Geschichte verpackt. Sie dreht sich um die fiktive Jung-Managerin Ina Interna, verantwortlich für die Mitarbeiterkommunikation in einem fiktiven Technologieunternehmen "Utopia" mit fünfstelliger Mitarbeiterzahl, verteilt über eine Reihe von Standorten. Sie sucht sich einen Pfad durch die Fachliteratur und Studienlage, durch KPI-Benchmarks und unterschiedliche Modelle mit dem Ziel, substantielle Antworten auf die Wirkung der Kommunikationsaktivitäten ihres Unternehmens geben zu können. Antworten, die auch die Fragen des Topmanagements klären: Wie viel hat das eingesetzte Kommunikationsbudget gebracht? Was ist denn unser ROI -, hier verstanden als Wertschöpfungsbeitrag aller Kommunikationsaktivitäten insgesamt?

Der ganze Band dreht sich um Kennzahlen, um KPI's, um Mess-Methoden, um Messpunkte. Um die Verbindung von Quantitativem und Qualitativem. Das alles aber wunderbar leicht in Story-Form erzählt, auf geschickte Weise die Erkenntnisse der Fachwissenschaften einbringend (vor allem Arbeiten von Ansgar Zerfaß zum strategischen Kommunikationsmanagement, das Wirkungsstufen-Modell von DPRG/ICV und Arbeiten Lothar Rolkes zum Kommunikationscontrolling). Wer dann begrifflich noch mehr wissen will, der geht zu einem online verfügbaren Glossar Bucheles.

Ina Internas Prozess geht insgesamt über zwei Jahre. Die Zeitscheine ist von Bedeutung für lernwillige Leser. Denn dergleichen baut sich nicht über Nacht auf. Anfangs liegen viele verstreute Zahlen im Unternehmen vor. Sie werden unter einem systematischen Ziel-Rahmen zentral zusammengeführt. Nun genauer betrachtet, reflektiert, weiterentwickelt. Auf einmal zeichnen sich messbare Ziele ab. Es entwickelt sich ein lebendiges und aussagekräftiges Kommunikationscontrolling, das es auch einfacher macht, Investmententscheidungen in Kommunikationsinstrumente bei Vorstand und Geschäftsführung durchzubringen. Die Alltagstauglichkeit des neuen Systems wird am Arbeitsalltag verschiedener fiktiver Mitarbeiter und deren Mediennutzung beispielhaft vor Augen geführt. Exemplarisch wird gezeigt, welche Ergebnisse auf welchen Wirkungsstufe der Kommunikation (Sichtbarkeit, Wissen, Einstellungen, Verhalten etc.) gemessen werden kann -  und wie das alles über IT-getriebene Statistik-Dashboards visuell (Zahlen, Kurven etc.) ausgewiesen wird. Am Ende sind alle Aufwendungen erfasst, auch die personellen und die zeitlichen, aufgeschlüsselt für jede Maßnahme. Ergebnisse können umfassend aufgezeigt und aus verschiedenen Blickwinkeln analysiert werden. Es werden Resultate vorgelegt, die nunmehr ziemlich eindeutig bestimmten Aktivitäten zuzuordnen sind. Reflexionen für zukünftige Praxis werden nun auf Faktenbasis möglich: ?In Form von vergleichenden Reports kann Ina abklären, mit welchem Kanal die Mitarbeitenden am kostengünstigsten erreicht werden. Hierfür vergleicht sie Kosten im Verhältnis zur Reichweite für alle Kanäle. Um den Mehrwert für MyUtopia (d.h. das Intranet des Unternehmens; Anm. d. Verf.) zu belegen, vergleicht sie das Social Intranet mit der Mitarbeiterzeitschrift. Tatsächlich ist der günstigste Kanal des Social Intranet mit 2,14 Euro pro Leser*in, wohingegen die Utopia Zeit mit 6,54 Euro pro Leser vergleichsweise teuer ist. Das nimmt sie mit in den nächsten Strategiezyklus mit der Frage: Wollen wir uns das noch leisten?" (S. 79).

Dem Vorstand kann die Kommunikationsmanagerin nun zahlenbasierte Management-Reports mit bezifferten Kommunikationsleistungen vorlegen. Diese lassen sich zwar nicht 1:1 in Euro umrechnen. Aber sie können doch aufzeigen, wie weit und wie sehr sich Investments in Kommunikation gelohnt haben. Leistungen und Wirkungen werden konkreter, greifbarer. Fazit: "Der Schlüssel zum 'ROI' der internen Kommunikation ist nicht eine Kennzahl - sondern ein ganzheitliches Verständnis der wirtschaftlichen Argumentation, das Verständnis der internen Kommunikation als Leistungs- und Wirkungsprozeß mit verschiedenen Wirkungsstufen sowie der stetige Rückbezug auf strategische Ziele, die in Zusammenhang mit den Gesamtunternehmenszielen stehen. Es gibt ihn also, den ROI der internen Kommunikation - aber nicht als die eine betriebswirtschaftliche Kennzahl. Vielmehr geht es um den logischen und unterstützenden Wertbeitrag, den interne Kommunikation für das funktionierende Gesamtsystem leisten kann" (S. 81). 

Besondere Leistungs-Option des Buches: Hoch geeignet, vor allem jüngeren Kommunikationsmanagerinnen und -Managern die Scheu vor den Komplexen Erfolgskontrolle und Kommunikationscontrolling zu nehmen. Einsicht: Erfolgskontrolle ist möglich, dabei aber zugleich nötig: Loslösung von Fixierungen auf einzelne "magische" Zahlen der Erfolgsmessung.

 

 

Ulrike Führmann/Klaus Schmidbauer, Interne Kommunikation mit Weitblick. Praxiswissen für Ihren Projekterfolg, Talpa-Verlag, Berlin 2020, ISBN 978- 3-933689-17-7, 211 S., 29,80 Euro

 

Kann man das vorher angezeigte Buch dem Feld des Internen Kommunikationscontrollings zurechnen, dann ist das nächst anzuzeigende Buch ein sehr konkreter Beitrag zum Projektmanagement. Vorgelegt 2020, von dem etablierten Autoren- und Berater-Duo Ulrike Führmann und Klaus Schmidbauer. Schmidbauer ist zwischenzeitlich leider verstorben. Führmann bringt ihre Expertise unverändert an vielen Stellen ein, sei es als versierte Dozentin oder als Mitglied der Final-Jury beim renommierten Branchen-Award für exzellente Interne Kommunikation INKOMETA. Das hier vorgelegte, völlig neu konzipierte Buch löst den viel zitierten Vorgänger ?Wie kommt System in die Interne Kommunikation? ab, verfasst vom gleichen Erfolgs-Autoren-Duo.

Herausgekommen ist nun ein hochwertiges, reinrassiges Praktikerbuch. Es dient vor allem einer hochwertigen Konzeptionstechnik und einem systematischen Projektmanagement für interne Kommunikation. Vom Anspruch der Autoren her soll es leicht umsetzbar sein und zielt gleichermaßen auf Studierende wie Verantwortliche in Unternehmen. Schmidbauer und Führmann gehen ähnlich vor wie Nelke. Sie haben zwei ihrer Beratungsprojekte anonymisiert und fiktionalisiert. Was sie auf der Theoriebene vortragen, wird immer sofort an einem der Beispiele exemplifiziert. Das macht den ganzen Sachvortrag sehr gut nachvollziehbar. 

Schon ihre Definition macht deutlich, dass es Interner Kommunikation heute um weit mehr gehen müsste als nur um aktuelle Information der Mitarbeitenden: "Interne Kommunikation ist ein integrierter Bereich der gesamten Kommunikation eines Unternehmens. Vorrangige Aufgaben sind Information, Dialog und Interaktion in Richtung der internen Bezugsgruppen eines Unternehmens, die als interne Öffentlichkeit verstanden und mit Kommunikationsmaßnahmen gezielt angesprochen und einbezogen werden" (S. 14). Auf dieser Grundlage führen die Autoren erst ein paar wesentliche Grundregeln eines zeitgemäßen, modernen Verständnisses Interner Kommunikation aus (S. 16- 20: Relevant kommunizieren, gezielt, einfach, verständlich, kurz und knapp, schnell, entschlossen, ehrlich, konsistent, emotional, assoziativ, episodisch, dialogisch, partizipierend u.a.). Sodann entfalten sie ihr Kernanliegen in vier Phasen: Kommunikationsprojekt initialisieren - Kommunikationsprojekt konzipieren - Kommunikationsprojekt planen - Kommunikationsprojekt steuern. Was in jeder dieser vier Phasen jeweils an Schritten wichtig ist, wird dann konkret und an den Beispielen illustriert Schritt für Schritt im Detail erklärt.

Es geht in diesem 200-Seiten-Paperback also nicht etwa um die Vorschläge für hippe oder hypermoderne Kommunikationsmittel. Es geht vielmehr um eine verbesserte Systematik in der Planung und Steuerung von Kommunikation. Dabei ist die Perspektive Führmanns und Schmidbauers eine der Agilität. Es geht ihnen nicht um zementierte Handbücher, sondern um Pläne, die leben, die intelligent und schnell angepasst, nachjustiert werden können, wenn erforderlich.

Besondere Stärke des Buches: nicht irgendein weiteres, abstraktes Buch zum Projektmanagement, sondern überzeugend dadurch, dass die grundsätzlichen Schritte der Theoriedarstellung durch die fiktiven Beispiele immer farbig zum Leben gebracht und konkretisiert werden.

Einschränkend für den Erkenntnistransfer: die Zielgruppe des Buches ist vielleicht doch etwas spitzer als die Ambition der Autoren. Geeignet ist es nach Ansicht des Rezensenten am Ende doch eher weniger für Studenten. Der ideale Leser dieses Buches ist eigentlich schon Führungskraft mit erster Berufserfahrung, die weiß, wie man sich organsiert, aber das eigene Projektmanagement lückenlos optimieren möchte. Ein Leser mit diesen Voraussetzungen bekommt hier eine Top-Arbeitshilfe in die Hand.

 

 

Jörg Felfe, Mitarbeiterbindung. Hogrefe 2. überarbeitete und erweiterte Auflage Göttingen 2020, 302 S., ISBN 978-3-8017-2505-1, Euro 39,95

 

Nach zwei hochwertigen Praktiker-Büchern führt diese Sammelrezension nun zu zwei nicht minder gewichtigen akademischen Titeln. Jörg Felfe, Inhaber des Lehrstuhls für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, legt in überarbeiteter Auflage eine Neufassung seines 2008 erstmals veröffentlichten Lehrbuches zur Mitarbeiterbindung vor. Dies ist zunächst einmal erst einmal gar kein Buch aus der Perspektive der Internen Kommunikation. Bei Bindung von Mitarbeitern oder auch dem sehr verwandten Konzept der Mitarbeiteridentifikation geht es um zentrale und ziemlich komplexe Konstrukte der Wirtschaftspsychologie: "Unter Mitarbeiterbindung verstehen wir zunächst die Verbundenheit, Zugehörigkeit und Identifikation, die Mitarbeiter gegenüber ihrem Unternehmen empfinden und erleben. In der wissenschaftlichen Literatur wird Mitarbeiterbindung auch als Commitment bzw. organisationales Commitment bezeichnet" (S. 25). Und diese Themen haben Konjunktur, mit stark wachsender Bedeutung vor allem in der Wirtschaft, aber nicht nur dort: "Wenn sich die Mitarbeiter einer Organisation in hohem Maße verbunden fühlen und sich mit der Organisation identifizieren, werden sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit stärker für die Interessen und Ziele der Organisation engagieren, eher bereit sein, Veränderungen und neue Entwicklungen zu akzeptieren  und dem Unternehmen auch dann treu bleiben, wenn sich attraktive Beschäftigungsalternativen bieten?"(S. 16). Aber dieses dann auch wirklich hinzubekommen, dies wird aber im Zeitalter zunehmender Flexibilisierung und Digitalisierung von Arbeit, im Kontext von Homeoffice und Pandemie und hoher Wechselbereitschaft von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weltweit zunehmend schwieriger.

Was hat das Thema mit Mitarbeiterkommunikation zu tun? Die Brücke zum roten Faden dieser Buchbesprechungen ist schnell da. Denn natürlich werden die Resultate in diesem Bereich nicht nur mit den Mitteln der Personalführung erarbeitet, sondern eben auch mit organisierten Anstrengungen der Zuständigen für die Interne Kommunikation. 

Bei Bindung geht es ja primär um Fragen von Einstellungen und Beziehungen. Felfe bringt hier den neuesten Stand der Forschung, den State oft he Art der fachwissenschaftlichen Debatte, unter detaillierter Darstellung zahlreicher relevanter Studien der universitären wirtschaftspsychologischen Forschung. Die Kapitel 2 und 3 geben einen Überblick über diese aktuellen Forschungen. Das verlangt dem Leser konzentrierte Lektüre ab. Erleichtert wird es jedoch immer wieder durch eingeschobene Kästchen mit konkreteren Hinweisen, was Unternehmen oder Organisationen tun können, um Identifikation zu fördern, gerade durch Kommunikationsaktivitäten. Sehr praktisch wird das beispielsweise auf den Seiten 57/58, bei den aufgeführten Kommunikationsmaßnahmen zur Stützung einer Corporate Identity, gerade auch im Kontext von Fusionen, Firmenzusammenschlüssen, dem Zusammenlegen von Abteilungen etc. Das geht mit einem ganzen Katalog vorgeschlagener Maßnahmen weit über Theoriedarstellung hinaus. Derlei Einschübe führen das Buch auch an anderen Stellen immer deutlich über die reine Theorievermittlung hinaus.

Bindung und Identifikation sind alles andere als leicht messbare Konstrukte. Kapitel 3 stellt die weltweit verbreitetsten Verfahren vor. Kapitel 4 fasst drei repräsentative empirische Studien zum innereuropäischen Vergleich des Phänomens vor. Spannende Detailergebnisse: Nimmt man alle abgefragten Items zusammen, liegt Deutschland im unteren Mittelfeld. Vorn sind Irland, Dänemark und Niederlande, hinten die Südeuropäer und Frankreich. Fragt man aber nach der vielleicht wichtigsten Kategorie, dem affektiven organisationalem Commitment, dann liegt Deutschland ganz unten mit 54 % und lässt nur Italien hinter sich. Unternehmen in Irland und Dänemark kommen hier auf 70 % Zustimmung (bei der Frage nach dem Stolz auf das Arbeit gebende Unternehmen). Ein deutlich differenziertes Bild erhält man, wenn man die unterschiedlichen Formen von Commitment betrachtet: affektives (z.B. Stolz, Zufriedenheit), normatives (Sozialisierung durch Unternehmen, Übereinstimmung mit Werten), kalkulatorisches (z.B. als Ergebnis von Abwägungen möglicher Kündigung vs. Mangel an Alternativen). Was hier von Felfe ausgebreitet wird, das müssten die Personalverantwortlichen von Konzernen und großen mittelständischen Firmen mit europaweit bzw. international verteilten Standorten eigentlich mit der Lupe lesen und auswerten.

Kapitel 5 und 6 sind das Herzstück der Publikation. Die Zusammenhänge von Commitment und Unternehmenserfolg werden nuanciert aufgezeigt. So ist beispielsweise der Konnex von Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit durch die Forschung vielfach bestätigt und gesichert. Affektive Bindung erweist sich als zentrale Größe. Felfe zeigt auch, wie Unternehmen und Organisationen ihr Bindungsmanagement erhöhen können. Er geht auf Mitarbeiterbefragungen ein. Er unterstreicht, wie in der Literatur und Unternehmenspraxis inzwischen viel diskutierte, zentrale Führungskonzepte auf die affektive Bindung einzahlen können: Transformationale Führung, charismatische Führung, Wandel zu agilen Organisationsformen, lernende Organisationen.

Kapitel 7 diskutiert auf der Theoriebene verwandte Konzepte von Commitment, vermutlich interessant vor allem für Leser aus der akademischen Lehre. Spannender für die meisten Leser sicher das Kapitel 8. Hier werden Studien-Details mit unterschiedlichem Forschungs-Fokus gezeigt: Unterschiede von Commitment im öffentlichen Dienst, in Non-Profit-Organisationen versus privatwirtschaftliche Organisationen unterschiedlicher Größe und Lebensalters, bei unterschiedlichen Arbeitsformen (z.B. Zeitarbeit, Leiharbeit, prekäre Arbeitsverhältnisse - immer gepaart mit interessanten Vorschlägen zur besseren Kommunikation mit und Führung dieser Art von Mitarbeitern). Auch geht das Kapitel auf interkulturelle Unterschiede ein. In einer kollektivistischen Kultur wie China bspw. spielt das normative Commitment eine viel größere Rolle als hierzulande. Und dies verlangt von der Führungskräftekommunikation ganz andere Akzentsetzungen. Von höchstem Leseinteresse dürfte das Teilkapitel 8.5 sei, das aktuelle Betrachtungen von relevanten Non-Profit bzw. Werteorganisationen mit vielen bemerkenswerten Detailergebnissen verbindet: Pflege, Polizei, Kirche, Wohlfahrt, Krankenhaus, Kita, Bundeswehr.

Spezielles thematisches Leseinteresse verlangen die Kapitel 9 und 10, die auf Besonderheiten des Change-Managements und Duales Commitment (eine Person hat gleichzeitig Bindungen zu mehr als einer Bezugseinheit) eingehen. Kapitel 11 zeigt die Kehrseite des Phänomens, die Folgen übertriebener Identifikation mit den ganzen unangenehmen Folgen von Compliance, Korruption u.a. unethischem Tun oder gar kriminellen Akten. Oder aber Gesundheitsschäden infolge völlig überzogener Arbeitsbelastung durch Selbstausbeutung u.a. Kapitel 12 stellt abschließend die Forschungsdesiderate auf.

Besondere Stärke des Buches: es schöpft die Studienlage mit größtmöglicher wirtschaftspsychologischer Kompetenz aus.

Die Leseempfehlung richtet sich insbesondere an HR-Spezialisten und Personalverantwortliche, die mit selbstkritischem Blick auf die eigene Organisation fragen: wie gut ist es um die Bindung unserer Belegschaft bestellt? Wie viele Performer tragen uns? Wo sind unsere Defizite? Und mit welchen Ansätzen in Organisation und Kommunikation werden wir besser? 

 

 

Constanze Jecker (Hg.), Interne Kommunikation. Theoretische, empirische und praktische Perspektiven, Herbert von Halem Verlag, Köln 2019, 427 S., ISBN 978-3-86962-304-7, Euro 42,--

 

Hatten wir zuletzt die Perspektive der Psychologie, dann kehren wir mit dem letzten Titel an den Anfang dieser Rezension zurück. Ein 2019 erschienener Sammelband von Aufsätzen, geschrieben vor allem von Forschern, die sich an Universitäten und Hochschulen mit der Organisations- und Unternehmenskommunikation befassen, fast allesamt Spezialisten der Internen Kommunikation, ergänzt durch Best Practices von einigen Praktikern aus hochkarätigen, meistens sehr großen und namhaften Unternehmen wie Schweizer Bahn, Post und die Swisscom. Herausgekommen ist ein multipler Forscherblick mit breitem Spektrum und unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten. Der Band hat einen gewissen Schweizer Fokus. Die Herausgeberin Dr. Constanze Jecker lehrt an der Hochschule Luzern ? Wirtschaft, u.a. Kommunikation und Rhetorik, und sie leitet dort das Centrum für Change Kommunikation und Interne Kommunikation. Sie hat in ihrem Buch eine ganze Reihe einschlägiger Kolleginnen und Kollegen aus Luzern, aber auch von anderen renommierten Schweizer Hochschulen in Bern und Zürich versammelt. In der Qualität und in Bezug auf völlig neue Erkenntnisse herausragend sind die Beiträge von Professor Dr. Michael Boenigk, der ebenfalls in Luzern Kommunikationsmanagement und Marketing lehrt.Er stellt auch, gemeinsam mit Jecker, die 2016 für die Schweiz veröffentlichte Trendstudie vor, in der erstmals die 500 umsatzstärksten Unternehmen des Landes in Bezug auf ihre interne Kommunikation befragt worden waren. Dem Leser mit primärem Blick auf die deutsche Hochschullandschaft begegnen aber auch eine Reihe von Forscher-Namen, die ihm bekannter sein dürften, da sie hierzulande beim Thema einschlägige Koryphäen sind. Innovative Beiträge zu aktuellen Themen haben beigetragen die Professor Dr. Ulrike Buchholz von der Hochschule Hannover (über Purpose, v.a. mit Blick auf Unternehmen im agilen Kontext), Professor Dr. Susanne Knorre von der Hochschule Osnabrück (Open Innovation-Kommunikation), Professorin Dr. Simone Huck-Sandhu von der Hochschule Pforzheim gemeinsam mit Professor Dr. Klaus Spachmann von der Uni Hohenheim (über die Zusammenhänge von Newsroom- Strukturen und Interner Kommunikation).

Die thematische Breite des gesamten Bandes ist beeindruckend. Klassische Medien wie die gedruckte Mitarbeiterzeitschrift (bei einem mittelständischen Zulieferbetrieb) werden ebenso analysiert wie die Entwicklung digitaler Mitarbeiterzeitschriften bei unterschiedlich großen Unternehmen, Intranet- und Social Intranet-Lösungen und weitere digitale Produkte bis hin zu den kommunikativen Funktionen eines modernen digitalen Workplace. In den Blick kommt die strategisch immer bedeutsamer werdende CSR-Kommunikation. Aber auch die Eventkommunikation bleibt nicht außen vor. An einem fiktionalisierten Fall einer dreitägigen Konferenz zeigt Konrad Moser, Führungskräfte-Coach und Gastdozent an der Hochschule Luzern, beeindruckend auf, wie eine zeitgemäße Großgruppenkommunikation bei physischer Anwesenheit begeistern kann, nämlich mit abwechslungsreicher multisensualer Kommunikation.

Susanne Einwiller, PR-Professorin an der Universität Wien, bescheinigt dem hier vorliegenden Band in ihrem Geleitwort, hier werde der Status Qu0 des Themenfelds in Wissenschaft und Praxis dokumentiert. Diesem Urteil schließt sich der Rezensent vollauf überzeugt an. Es gibt viele wissenschaftliche Sammel- und Tagungsbände. Vieles ist davon ist schnell veraltet. Dieses von Constanze Jecker vorgelegt Werk nicht. Das hat schon fast das Format eines Handbuches zur Internen Kommunikation. Ganz sicher gibt es hier viele Anstöße mit Gültigkeit über den Tag hinaus.

 

Markus Kiefer

(Kolumne von Markus Kiefer vom 15. Juli 2023 auf www.markus-kiefer.eu)

 

 

Erschienen am 15/07/2023 08:45
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Für Sie gelesen
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