EM-Übertragungen - schlampiger Sportjournalismus
Wider die Schlamperei mit den Spieler-Namen.
Kann irgendjemand dem Bundestrainer beibringen, dass er in seinen Interviews die Spieler korrekt mit Nachnamen nennt? Wenn bei den deutschen Spielen weit über 20 Millionen einschalten, jedenfalls bei bedeutenden Turnierspielen, dann sind da viele dabei, die nicht samstäglich die Bundesliga in Sportschau, ZDF-Sportstudio und Sky verfolgen. Da wissen keineswegs alle, wen er in seiner ohnehin schnoddrigen Sprechweise in Stakkato-Sätzen meint, wenn er im Höchstempo Leroy, Josh, Manu und Maxi hintereinander herunter rattert.
Andere Trainer der jüngeren Generation reden ja genauso, vermeintlich lässig. Als ich (Ex-) Bayern-Trainer Tuchel erstmals von Upa reden hörte, fragte ich mich, was denn sein Opa mit dem verlorenen Spiel zu tun habe. Dann ging ich mühsam den Bayern-Kader im Kopf durch und mir schimmerte, meint er vielleicht den französischen Nationalspieler Dayot Upamecano? Und weil ich im Kopf ja mit Suchen befasst war, hörte ich dem Rest des Interviews gar nicht mehr zu. Und wussten Sie sofort, wen (Ex-) BVB-Coach Terzic meinte, wenn er von Greg schwärmte? Er meinte übrigens keinen Filmschauspieler, den er nach dem Spiel im VIP-Raum getroffen hatte. Sondern seinen Torwart, den Schweizer Nationalkeeper Gregor Kobel. Nur Hardcore-Fußballfans wissen doch in diesen Momenten sofort, wer gemeint sein könnte. Beim Rest des Publikums wird Verwirrung gestiftet.
Und es geht ja nicht nur um die Fernsehzuschauer. Im Sinne der Sponsoren dieser Spieler ist es auch nicht. Dann sie werden ja nicht unter Leroy und Josh vermarktet, sondern unter Sané und Kimmich. Wenigstens könnte der Bundestrainer ja Vor- und Nachnamen verwenden, da weiß dann wirklich jeder eindeutig, wer gemeint ist. Und ob diese Art, die ja vor allem locker und jugendnah wirklich jedem der vor allem älteren Spieler gefallen wird. Man kann sich vorstellen wie Kroos wirklich darüber denkt, wenn er nur noch von Toni hört. Unvergesslich dies Szene vor einigen Jahren, als der deutsche Vorzeigefußballer schlechthin im Live-Interview der distanzlosen Fragerin dazwischen grätschte: "Ich bin nicht Basti, ich bin der Herr Schweinsteiger".
Ganz nebenbei, deplaziert wirkte auch, wenn Magenta TV-Moderator Johannes B. Kerner den Bundestrainer ständig mit Julian anredete. Der mag das zwar ganz ok finden. Für den Fernsehzuschauer wirkt das distanzlos. Entsprechend unkritisch fielen dann auch zahllose Fragen aus bzw. die ganz kritischen werden bei so einem undistanzierten Frager-Antwortender-Rollenspiel gleich gar nicht gestellt. Warum spielt Leroy Sané trotz viermaliger Nichtleistung auch noch ein fünftes Mal? So eine Frage stellt sich leichter, wenn man einen gewissen Abstand zum Befragten einhält. Eine Anrede mit "Herr Bundestrainer" oder wenigstens "Herr Nagelsmann" oder auch "Herr Völler" schafft zwar Distanz. Aber das ist ja eine ganz passable Grundlage für eine durchaus angebrachte sachlich-kritische Begleitung der Dinge.
Und wer war eigentlich die Blondine, die ZDF-Moderator Jochen Breyer ständig mit "Frizzi" ansprach? Und so strahlend und in so vertraulichem Tonfall, dass man dachte, die beiden müssen schon im Kindergarten miteinander zu tun gehabt haben. Ich habe über Wochen hinweg "Frizzi" immer wieder im Studio gesehen, ohne wirklich erfahren zu haben, wer die Frau eigentlich ist und wieso sie Sportkompetenz genug hat, um mit den neben ihr sitzenden Weltmeistern von 2014, Mertesacker und Kramer, Spiele auf Augenhöhe zu bewerten. Erfahren habe ich das nicht. Am Ende der WM las ich eine Zeitungsreportage, die die Leistungen der EM-Kommentatoren ebenfalls kritisch durch die Lupe betrachtetet. Da war dann von einer Fußballtrainerin namens Friederike Klump die Rede, die immer wieder im ZDF brilliert habe. War das "Frizzi"? Keine Ahnung. Denn sie wurde ja weder vorgestellt noch korrekt mit Nachnamen angeredet, jedenfalls nie, so oft ich einschaltete. Das Gleiche galt zwar auch für die neben ihr Sitzenden, die kumpelhaft immer nur mit "Peer" und "Chris" angeredet wurden. Aber die beiden habe ich dann doch oft genug in all den Jahren gesehen, um sofort wissen zu können, wer da agiert.
Sachlich-objektive Betrachtungen, das wäre ja die Aufgabe eines Journalisten, der seinen Job ernst nimmt. Und nicht Kumpanei, nicht distanzlose Vertraulichkeit und auch nicht marktschreierisches Marketing. Diesbezüglich war im Sportjournalismus dieser Tage noch viel Luft nahmen oben, im Pay-TV genauso wie bei den Öffentlich-Rechtlichen.
Markus Kiefer
(Kolumne von Markus Kiefer vom 1. August 2024 auf www.markus-kiefer.eu)