Formale Insignien der Macht - Autorität kommt nicht ohne Äußerlichkeiten aus
Sollen Topmanager komplett auf Status-Symbole in ihrer Kleidung verzichten?
Einer meiner geschätzten ständigen Gesprächs- und Kooperationspartner aus dem Kommunikationsmanagement machte mich neulich mit einem einzigen Satz sehr nachdenklich. Wir hatten einen gemeinsamen Lunch in einer der oberen Etagen der Firmenzentrale. Da, wo die Vorstände und oberen Führungskräfte die Gäste des Unternehmens bewirten. Und wir sprachen über die Äußerlichkeiten der Macht. Über Statussymbole. Ihre Notwendigkeit und Berechtigung für Topmanager oder für Firmeninhaber. Er sagte: formale Autorität braucht auch äußere Formen. Der Satz saß. Und machte mich nachdenklich.
Was ich regelmäßig in modernen Werken der Führungs- und Management-Literatur lese, ist ja ganz anderes. Im Zeitalter des agilen Arbeitens, der Teamarbeit, da werden Hierarchien längst nivelliert. Schranken der Kommunikation, aufgerichtet durch Status-Hürden, werden eher eingerissen. Das Zeitalter der Luxusjets für Top-Entscheider, das Fliegen in den Luxusklassen, der von den Mitarbeitern abgeschirmte extra Fahrstuhl in der Zentrale, das Essen in Luxuskantinen für Top-Führungskräfte mit sehr beschränktem Zugang -, dies alles scheint von gestern. Aber, ist das wirklich so?
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schauen in Zeiten von großer Verunsicherung, von beständigem Wandel, von gewaltigen Herausforderungen durch Pandemie und andere Groß-Krisen natürlich besonders ganz nach oben, auf die Männer und Frauen an der Spitze der Unternehmen und Organisationen. Die Belegschaft will sicher von ihren eigenen Top-Leuten registriert, gesehen und ernst genommen werden. Sie wollen auch ganz sicher nicht eine zu große Distanz der Mächtigen zum Fußvolk. Aber wollen sie wirklich, dass ihre Nummer 1 so aussieht und sich so kleidet wie alle anderen? Ein entsprechendes äußeres Auftreten gehört einfach dazu, zum Top-Job. Und ja, Accessoires dann eben auch. Accessoires sind nicht notwendig mit Protzen gleichzusetzen. Es gibt ein gutes Maß der Wahl, mit Klasse, Stil und Eleganz, ohne den Eindruck totaler Abgehobenheit zu vermitteln.
Vor diesem Hintergrund lohnt vielleicht ein abschließender Blick auf ein männliches Bekleidungs-Detail. Und zwar deswegen, weil es zunehmend aus dem Blick gerät. Es scheint ja inzwischen Mainstream zu sein, dass männliche Top-Manager in der Öffentlichkeit ohne Krawatte auftreten, scheinbar so auftreten müssen. Bei Ihren Besuchen, in Talkshows, in ihren Social Media Posts. Heraus kommt dabei ein ziemlicher Einheitsbrei. Alle in dunkelblauen Anzügen, alle in weißen Hemden, offener Hemdknopf und ohne Krawatte. Das scheint fast die neue einheitliche Manager-Uniform zu sein, nivelliert und gleichgemacht, alles eine Liga, die gleiche Klasse.
Vor ein paar Jahren konnten Männer in den Top-Etagen ja noch zumindest durch das individuelle Krawatten-Design eine eigene Markierung setzen. Und auch, ja, warum nicht, ebenfalls durch die Wahl einer wertvollen Uhr am Handgelenk. Heute scheint es fast so, als ob solche persönlichen Zeichen auf breiter Front eher krampfhaft verborgen bleiben sollen.
Es bleibt ja richtig. Formale Autorität darf nicht an formalen Insignien der Macht hängen. Aber warum sollen die Topleute der Unternehmen zukünftig komplett auf Status-Symbole verzichten? Interessanter und authentischer werden sie dadurch sicherlich nicht.
Markus Kiefer
(Kolumne von Markus Kiefer vom 1. Oktober 2021 auf www.markus-kiefer.eu)