Kommunikationsmanagement - 44 Tools für die Praxis
Handwerkszeug für die Praxis des Kommunikationsmanagements - übersichtlich zusammengestellt in einer systematisch aufgebauten Toolbox, von Ansgar Zerfaß und Sophia Charlotte Volk.
Bekanntlich stehen die Manager der Unternehmens- und der Marketingkommunikation schon seit längerem unter zunehmendem Druck, ihren Wertbeitrag fürs Unternehmen glaubwürdig darstellen und nachweisen zu können. Und das ist gar nicht so einfach. Denn bei durchaus zunehmender Bereitschaft zum Zusammenwirken im Kontext der Integrierten Kommunikation - die Manager beider Disziplinen nutzen ja für sich schon sehr unterschiedliche Begriffe oder Begriffsverständnisse, grundgelegt in sehr unterschiedlichen Studien und Ausbildungen. Hier werden unterschiedlichen Fachsprachen gesprochen. Noch sehr viel weniger darf man dann beim Top-Management voraussetzen, das in eigenen Kategorien denkt und handelt. In etablierten Kategorien wie Management-Tools, wie beispielsweise Benchmarking, Kundenzufriedenheit, Total Quality Management, Leitbilder. Hier setzt die vorliegende Studie und das daraus entstandene Buch von Ansgar Zerfaß, Inhaber des Lehrstuhls für Strategische Kommunikation an der Universität Leipzig, und seine Schülerin/Doktorandin Sophia Charlotte Volk an. Wie findet man als professioneller Kommunikator Anschluss an die Sprache seines Topmanagements? Wie wäre es, wenn man diese Orientierung an Management-Tools ansetzt, um den Wertbetrag der Unternehmenskommunikation in Kategorien nachvollziehbarer zu übersetzen, somit in der vertrauten Denkwelt und Managersprache der Top-Ebene bleibt? Das ist das eine Grundanliegen des Buches. Das zweite ist es, der Kommunikationspraktikern einen umfassenden Baukasten an bewährten Praxis-Tools an die Hand zu geben, aus der man sich dann selbst für das eigene Unternehmen ein passendes Grundgerüst zur systematischen Steuerung des eigenen Tuns zurechtschneidet.
Unter Kommunikation-Tools verstehen die Autoren dabei nicht etwa technische Plattformen wie Datenbanken oder Monitoring-Software. Sondern sie schließen an das betriebswirtschaftliche Verständnis von Management an. Es geht also um Tools im Zusammenhang bzw. mit der Abfolge von Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung. Kommunikationsmanagement-Tools definieren Zerfaß/Volk folglich als "Denkwerkzeuge, Konzepte, Methoden. Vorgehensweisen und Standardprozesse, die dem Management von Kommunikationsprozessen in Unternehmen und anderen Organisationen dienen und nach einem einheitlichen Schema zur Analyse, Planung, Umsetzung oder Evaluation eingesetzt werden" (S. 17).
Vorgestellt werden in dieser Systematik insgesamt 44 Tools, 41 bereits mehr oder weniger etablierte und aus der Literatur auch durchaus bereits bekannte, sowie drei komplett neue Tools, von den Autoren dieser Publikation konzipiert. Geordnet werden diese insgesamt 44 Tools entlang der Systematik des Management-Prozesses. Folgende Tools werden für die Analysephase vorgestellt: Stakeholder-Befragung und Fokusgruppe, Stakeholder-Map, Persona-Analyse, Prozessanalyse, Benchmarking, SWOT, Kompetenzanalyse, Medien-Portfolio-Analyse, Communication-Touchpoint-Analyse, Materialitätsanalyse, Netzwerkanalyse, Szenario-Technik und Budgetanalyse. Im zweiten Abschnitt, der Planung, folgen dann: Leitbild, Zielhaus, Werttreiberbaum, Positionierungsmatrix, Markensteuerrad, Reputationssteuerung, Budgetplanung, Themenplanung, Wald-Disney-Methode, Outsourcing (Make or Buy). Für die Umsetzungs-Phase greift das Buch auf diese Tools zurück: Zielradar, Redaktionsplan, Maßnahmen-Portfolio, Themenpyramide, Botschaften-Dreieck, Issue-Map, Briefing, Flussdiagramm, Checkliste, Communication Scrum. Und für die abschließende Management-Phase der Erfolgskontrolle bzw. Evaluation sind es: Communication Scorecard, Report, Dashboard, Sentiment-Analyse, Medienresonanz-Analyse, Markenbewertung, Reputations-Analyse, Big Data/Social Media Analytics. Dazu kommen dann noch die drei Tools-Innovationen der Autoren: Communication Value Circle, Communication Manager Roles Grid, Communications Contributions Framework (zu diese dreien später mehr).
Was ist der Gewinn dieser umfassenden Tool-Darstellung für den Leser aus der Praxis? Es sind ja durchaus eine Reihe Klassiker genannt, wie z.B. SWOT, Szenario-Technik, Leitbild, Checkliste oder die Medien-Resonanzanalyse. Die allermeisten, zumindest die etwas erfahreneren Kommunikationsmanager werden diese Tools nicht nur kennen, sondern auch schon einsetzen. Aber es werden eben auch zusätzliche Optionen plastisch vorgeführt, die in der Praxis bislang weniger zum Einsatz kommen. Beeindruckend ist auch die schiere Menge in der hier zusammengestellten Toolbox. Denn es dürfte kaum ein Unternehmen oder einen Konzern geben, der sie alle anwendet. In der zugrunde liegenden Studie von Zerfaß und Volk zeigte sich, durchschnittlich sind es gerade mal ein gutes Dutzend Tools, das zur regelmäßigen Anwendung kommt. Insofern ist die systematische Gesamtschau der 44 Tools in dieser Form völlig neu und dürfte vielen Kommunikationsmanagern ganz neuartige Anregungen und Ideen für eine erweiterte, qualitativ verbesserte eigene Praxis geben.
Die Autoren schaffen es meisterhaft, jedes vorgestellte Tool in maximal 6 Seiten kompakt zu porträtieren. Dabei folgt jedes Teilkapitel dem gleichen Aufbau. Zunächst wird in ca. 15 Zeilen das jeweilige Tool definiert. Danach seine Anwendungsgebiete und Funktionsweise aufgezeigt. Es folgt ein Beispiel. Dann die Vorgehensweise bei der Implantierung, meistens in 5 Schritten. Eine Tabelle mit Pro und Contra des Nutzens. Eine knappe Gesamtbeurteilung in wenigen Sätzen sowie meistens zwei Quellenhinweise auf fachwissenschaftliche Literatur. Das Innovative dabei ist das Fallbeispiel. Es ist 44 Mal das gleiche Unternehmen, der fiktive mittelständische, international operierende Technologie-Konzern "Hadema", mit Sitz in Leipzig, in privatem Besitz, nicht börsennotiert, Milliarden-Umsatz, fünfstellige Mitarbeiterzahl. Die Verfasser machen die Top-Manager und die Kommunikationsmanager dieses Unternehmens und ihre kommunikativen Herausforderungen in wunderbarer Weise lebendig, wenn sie vor der Implantierung der jeweiligen Tools stehen. Das ist äußerst lebendig geschrieben, an Praxisnähe nicht zu überbieten und es stellt vor allem die Möglichkeiten des jeweiligen Tools sehr einleuchtend vor Augen.
Innovativ sind des Weiteren in besonderer Weise die drei neuen Kommunikationsmanagement-Tools, die aus den Studien hervorgegangen sind und sich nach Angaben von Zerfaß und Volk bereits im praktischen Einsatz bewährt haben. Die drei Tools werden im Buch auch deutlich umfassender vorgestellt (jeweils ca. 15 Seiten). Der Communication Value Circle hat den Ansatz, die Unternehmens-Strategie und die Kommunikationsstrategie stringent zusammenzubringen. Nämlich in den Dimensionen der sowohl materiellen als auch immateriellen Wertschöpfung, in der Entwicklung von Chancen/Strategien und der Sicherung von Handlungspielräumen - allesamt durch Kommunikation. Innovativ und anregend ist hier das clusterhafte Zusammenstellen der typischen Ziel-Dimensionen von Unternehmenskommunikation in insgesamt 12, diese werden die dann allesamt mit typischen KPIs und Methoden der Erfolgsmessung dargestellt: Mitarbeiter-Commitment, Kundenpräferenzen, Publizität, Reputation, Marken, Unternehmenskultur, Themenführerschaft, Innovationspotential, Krisenresilienz, Legitimität, Vertrauen, Beziehungen. Im zweiten Tool, dem Communication Manager Roles Grid liefern die Autoren ein aus acht Rollen bestehendes Schema, das Kommunikationsmanager zur Steuerung ihres eigenen Auftretens ebenso nutzen können wie in der Analyse oder im Coaching von CEO's, Vorständen, Geschäftsführern. Dieses Rollen-Schema berührt strategische Dimensionen (z.B. Unternehmens-Botschafter) ebenso wie operative (z.B. Coaching-Rolle) und ist deutlich an die Arbeiten von Management-Vordenkern wie Peter F. Drucker und Henry Mintzberg angelehnt. Das dritte neue Tool (Communications Contributions Framework) ist geeignet, das Leistungsspektrum einer Kommunikationsabteilung, in vier Dimensionen (strategische ebenso wie operative) zusammengefasst, komprimiert darzustellen. Es scheint vor allem als Reporting-Tool geeignet, die Leistungskraft einer Kommunikationsabteilung gegenüber dem Topmanagement darzustellen und nachzuweisen.
Ist das in diesem Buch ausgebreitete Wissen für jede Kommunikationsabteilung gleichermaßen geeignet? Eher nein. Nicht auszuschließen, dass auch der ein oder andere Kommunikationsmanager in kleineren Unternehmen für sich eine Anregung findet, ein einzelnes Tool neu auszuprobieren und anzuwenden. Aber die Toolbox als Ganzes ist doch eher etwas für die ganz Großen. Es scheint ideal für die größeren, ausdifferenzierten zentralen Kommunikationseinheiten von Konzernen und großen Mittelständlern. Die infrage kommende Größe zeigen auch die im Kapitel 5 abgedruckten Reports von fünf Fallbeispielen, in denen Kommunikationsmanager von Commerzbank, Flughafen München, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, der Telekom und von ZF Friedrichshafen über die Anwendung von Tools in der Praxis berichten. Das sind doch ausschließlich (sehr) großer Tanker.
Zuletzt: Ist die direkte Umsetzung von Tools in der Unternehmenspraxis nach der Lektüre denkbar? Für viele Tools in einer Unternehmenspraxis mit erfahrenen und gut ausgebildeten Kommunikationsmanagern: Ja. Bei den drei neu konzipierten Tools ist dies ohne entsprechende Beratung und Begleitung eher nicht vorstellbar. Dafür sind sie dann doch zu komplex.
Aber ansonsten sollte das hier vorgestellte Werk wirklich eine Inspiration für viele Kommunikationsmanager sein. Professor Zerfaß und das Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Leipzig sind schon lange eine erste Adresse für die Inspiration der Kommunikationsmanager in Deutschland - und darüber hinaus. Das hat auch dieses Buch eindrucksvoll bewiesen.
Markus Kiefer
(Rezension von Markus Kiefer vom 15. August 2021 auf www.markus-kiefer.eu)
Empfehlung
Ansgar Zerfaß/Sophia Charlotte Volk, Toolbox Kommunikationsmanagement. Denkwerkzeuge und Methoden für die Steuerung der Unternehmenskommunikation, Springer Gabler, Wiesbaden 2019, 304 S., ISBN 978-3-658-24257-2, Euro 37,99