Macht weiter, ZDF! - Das Publikum wünscht und braucht "Wetten, dass ...?"
Das Comeback von "Wetten, dass ...?" war ein überraschender Publikumserfolg. Das schreit gerade zu nach Fortsetzung der Unterhaltungsshow.
Das ZDF müsste mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn es sich nach dem traumhaften Comeback von "Wetten, dass ...?" nicht für eine kontinuierliche Fortsetzung der Show entscheidet.
Dieser öffentlich-rechtliche Fernsehsender ist aber nicht mit dem Klammerbeutel gepudert. Sondern er ist aus Zuschauergebühren (Zwangsabgaben) finanziert. Zum Beispiel auch aus meinen. Und wie der Großteil des Publikums plädiere ich nicht nur für eine regelmäßige Fortsetzung der Show. Ich fordere sie vehement ein, von "meinem" Sender.
Dafür sprechen viele Gründe. Ich nenne drei.
Der erste ist ökonomisch und auf die gegenwärtige Medienindustrie orientiert. Die Neuauflage von "Wetten, dass ...?" hatte eine Traumquote von nicht für möglich gehaltenen 14 Millionen (durchschnittlich! während der gesamten Sendung). Und dabei gab es eine völlig überraschende Reichweite bei der jüngeren und mittleren Generation, womit buchstäblich niemand vorher gerechnet hatte. Es gibt, aus verschiedenen Gründe der gesellschaftlichen Entwicklung und der veränderten Mediennutzung, ja kaum noch mediale Formate, die auch nur annähernd eine solche Reichweite im Publikum schaffen. Die Verantwortlichen müssten verrückt sein, wenn sie daraus nicht die zwingend auf der Hand liegende Konsequenz zögen.
Der zweite Grund ist ein gesellschaftlicher. Der faszinierende, gemeinschaftsbildende Charakter der Show zeigte sich auf beeindruckende Weise auch bei ihrem Comeback. Klaas Heufer-Umlauf, der Klaas von Joko und Klaas, saß selbst auf dem Show-Sofa und brachte es während der Sendung auf den Punkt. Das ganze faszinierende Streaming-Angebot von Netflix, Amazon Prime, Disney und anderen sei ja gut und schön. Aber da sitze jeder, meistens nur allein, zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten. vor seinem Endgerät und mache sein eigenes Ding mit seiner persönlichen Lieblingsserie. Dagegen versammle das gute alte lineare Fernsehen sein Publikum und führe zum gemeinsamen Erlebnis und Gespräch live und und im gleichen Moment zusammen. Das sei nicht von gestern. Sondern noch heute sinnvoll. Chapeau, Jung-Showmaster! Besser konnte man es gar nicht ausdrücken. Die Vereinsamungs-Tendenzen durch die Pandemiezeiten sind ja unübersehbar. Sendungen wie die November-Show von "Wetten, dass ...?" setzen einen Gegenpunkt. Sie bot ein generationenübergreifendes Gemeinschaftserlebnis. Sie schuf Gesprächsthemen. Noch 48 Stunden nach der Sendung war die Show Twitter-Trend Nr. 1 in Deutschland. Wer live während der Show im Second Screen die Social Media mitlas, nahm verblüfft zur Kenntnis, wie erstaunlich oft sich Familien wieder vor dem Fernseher zusammen fanden. Was während der Pandemie die absolute Ausnahme war. Und nebenbei: das gemeinsame Mitfiebern mit den Wett-Kandidaten ist auch Gemeinschaftsbildend. Man will nicht deren Scheitern sehen, sondern Mitfiebern und den gemeinsamen Erfolg feiern. Ist doch mal ein schöner Gegentrend zu all der Häme, dem Haß und Zynismus, der ansonsten täglich im Netz umherwabert. Und wir brauchen jede Form von Gemeinschaftsgeist und Zusammenhalt, gerade weil die Pandemie noch lange nicht vorüber ist. Und wenn das dann noch auf diesem entspannenden Weg von guter Unterhaltung passiert, umso besser!
Und der dritte Grund ist ein demographischer und bezieht sich auf die älter werdende Gesellschaft. "Wetten, dass ...?" wurde bei seinem Comeback erneut vom Showmaster aller Klassen moderiert. Allerdings von einem sichtlich gealterten Thomas (Thommy) Gottschalk. Der federt nicht mehr über die Bühne, das geht alles ein bisschen gemächlicher. Kaum ein Deutscher lebt öffentlicher als der größte Showstar der letzten Jahrzehnte. Er macht weder aus seiner Hörschwäche noch aus seiner nachlassenden körperlichen Vitalität ein Geheimnis. Und dennoch rockt er eine solches Mega-Ereignis fast aus dem Ärmel seiner Erfahrung und Souveränität. Am 6. November sogar manches Mal mit einem Tick zu sehr in Richtung einer "Ich-fürchte-keinen-Shitstorm" und "Mir-ist-alles-egal"-Haltung. Er kann das ganz sicher noch besser, mit mehr körperlicher und geistiger Anspannung und Vitalität und Präsenz. Wenn das ZDF seine Show fortsetzt, sollte es daher natürlich weiter auf seinen Erfolgs-Showmaster setzen. Ja, der Mann ist 71. Und hat inzwischen andere Interessen und Lieblingsformate. Aber er kann die große Samstagabend-Show. Wie kein zweiter. Und er beweist, dass auch ältere Menschen in den Medien noch belastbar, aktiv, kreativ, erfolgreich sein können. Das wäre ein wichtiges Zeichen der Mainzer Programmplaner gegen die dominanten und allgegenwärtigen Jugend- und Schönheits-Ideale in dem Mainstream-Medien.
Wir warten gespannt auf die Entscheidung der ZDF-Programmplaner!
Markus Kiefer
(Kolumne von Markus Kiefer vom 1. Dezember 2021 auf www.markus-kiefer.eu)