Mateschitz oder die neue Dimension des Marketings
Was beliebt vom Erbe des kürzlich verstorbenen Red Bull-Gründers? Aus Marketing-Perspektive: der Vorstoß in neuartige Marketing-Dimensionen.
Mit den durch ihre Fußball-Investments bekannt gewordenen Milliardären tun sich die Deutschen schwer, wie man spätestens seit Dietmar Hopps Engagement für die in kürzester Zeit in Deutschlands Topliga beförderte TSG Hoffenheim weiß. Das ist leider nicht mal mehr Hassliebe. Es ist in weiten Teilen der Fanszene blanker Haß. Kommt der Milliardär-Unternehmer dagegen aus der Alpenrepublik, fällt das Urteil kaum gnädiger aus. RB Leipzig steht vielen in Deutschland für die Perversion der guten alten Fußballtradition. Was Wunder, dass schon in den ersten Todesmeldungen des RB Leipzig-Investors Mateschitz sich Zwischentöne mischten. Garniert von manchem Seitenhieb auf den Fernsehsender Servus-TV, ebenfalls der Unternehmensgruppe des Steirer Erfolgsunternehmers zugehörig. Da kämen ja, so hieß es allenthalben, auch Verschwörungstheoretiker, Impfgegner und andere extrem Rechte zu Wort. Insgesamt eine merkwürdig verquere und verkürzte Wahrnehmung, eines in Sport, Wirtschaft und Medien ungemein innovativen, persönlich haftenden Managers, der in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Bilanz an Erfolgen vorweisen konnte.
In Erinnerung bleiben sollten vor allem seine Verdienste um das moderne Marketing. Es war die von ihm geschaffene Red Bull-Marketingmaschinerie, die dem Marketing völlig neue Wege eröffnete. Mateschitz machte vor, dass BtC-Unternehmen beim jüngeren Volk nicht mehr auf die Mätzchen Marktschreierischer Produkt-Werbeclips setzen sollten, sondern ganz neue Wege viraler Begeisterung finden mussten. Content ist King, das war Mateschitz-Denke. Das Content Marketing mag begrifflich seine Heimat in den USA haben. Und nichts liegt mir ferner, als die diesbezüglichen Verdienste von Joe Pulizzi und seinem Institut zu schmälern. Aber mit Leben gefüllt haben das Konzept die Unternehmen. Und allen vorneweg Mateschitz und sein Red-Bull-Imperium. Der Urknall des Content Marketing in Deutschland war der Stratosphären-Sprung von Baumgartner. Ein lupenreines Red Bull-Projekt. Dem viele andere, völlig neuartige Marketing-Events wie beispielsweise die Red Bull-Flugtage folgen sollten.
Und in diesem Kontext sind auch die Sportengagements zu sehen. Mateschitz war sicher ein sportbegeisterter Mensch. Aber nicht deswegen investierte er in Formel 1, in Eishockey- und Fußballclubs. Sondern er investierte in Sport-Erlebnis-Welten dort, wo sich junge Menschen gern aufhalten, weil sie dort gut unterhalten werden, in Situationen, ja, in denen man auch gern ein cooles Getränk genießt. Dies von außen als künstlich geschaffene Welten zu denunzieren, kann wohl nur der, der selbst nie die Atmosphäre von Champions-League-Spiele von RB Salzburg, von RB Leipzig oder auch von Playoff-Spielen des deutschen Eishockeymeisters RB München im Stadion live erlebt hat.
Und ein Drittes ist damit verbunden und auch dies hat Mateschitz erfolgreich vorgemacht. Große moderne Unternehmen verwandeln sich heute selbst in Medienhäuser, vor allem im BtC-Bereich. Medienhäuser, die auf allen Kanälen aktiv sind und senden. Sie berichten selbst und sie steuern ihre Markenkommunikation primär selbst. Das ist der Grund, warum der Österreicher dieses Feuerwerk auf allen Social Media-Kanälen aufbaute. Warum er Printmagazine in großer Zahl schuf. Warum er einen Fernsehsender aufbaute, der nebenbei, in erster Linie Premium-Qualitäts-Inhalte ohne Ende liefert (nicht nur die Talkshow "Talk im Hangar" - ja, die mit dem ein oder anderen sog. Verschwörungstheoretiker unter den Gästen). Warum er sogar die Neugründung von Boulevard-Tageszeitungen erwog. Eine Medienwelt auf analogen und digitalen Kanälen, ergänzt durch Erlebnis- und Eventwelten der persönlichen Kommunikation. Irgendwie erreicht man jeden und am Ende sind sogar sündhaft teure Paid Content-Werbung bei Dritten entbehrlich. Weil ja die eigenen Medien und die selbst geschaffenen Inhalte ohnehin so attraktiv sind, dass die Leute vorbeischauen.
Auf diesen drei Säulen - Content-Marketing, Live-Erlebniswelten vor allem im Sport und ein eigenes Medienhaus sein - beruhen vor allem die innovativen Marketingauftritt der Red Bull-Gruppe. Und diese Pionierleistung von Dietrich Mateschitz verdient allen Respekt, über seinen Tod hinaus.
Markus Kiefer
(Kolumne von Markus Kiefer vom 1. Dezember 2022 auf www.markus-kiefer.eu)