Megatrends
Kommunikationsmanager, die sich sich im Issues Management mit den großen Themen von morgen befassen, müssen simple Modeerscheinungen von den wirklichen Megatrends zu unterscheiden wissen. Eine aktuelle Beilage der Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte"(Jg. 65. Nr. 31-32/2015) bringt ein Interview mit dem Erfinder des Begriffs "Megatrends" und weitere Artikel, die sich einzelnen aktuellen Megatrends widmen.
Wer befasst sich schon nicht mit Trends und Modeerscheinungen? Im Alltag tut das doch praktisch jeder. Aber was ist nur ein schnell vorüber ziehender Trend, was ist flüchtiger Zeitgeist? Was ist dagegen aber eine Entwicklung, die Gesellschaft und Wirtschaft für lange Zeit prägen werden? Wer in Wirtschaft und Unternehmen Verantwortung für das Issues Management trägt, der will doch die wirklich prägenden Themen und Entwicklungslinien der Zeitläufte erfassen.
Journalistische Tagesanalysen, die den Trend-Begriff eher inflationär, unscharf verwenden und alles Mögliche damit markieren, helfen hier wenig. Welche Konzepte bietet die Wissenschaft? John Naisbitt, prominenter amerikanischer Politikwissenschaftler und Zukunftsforscher, hat für diese Phänomene bereits vor über drei Jahrzehnten den Begriff der "Megatrends" geprägt. Zu verstehen als Bild von zukünftigen Entwicklungen, die weltweit beobachtbar sind und das Leben und Arbeiten aller wirklich grundlegend verändern, wobei sie deutlich über 10 Jahre hinaus anhalten sollten. Sonst sind es eben keine Megatrends, sondern nur irgendwelche Entwicklungen, seien sie noch so bedeutend in einer bestimmten Zeit für eine spezifische Region.
Wer sich kurz und griffig mit dem Konzept "Megatrends" beschäftigen will, muss nicht unbedingt nach Naisbitts gleichnamigem Weltbestseller greifen - und auch nicht auf sein nächstes Trendbuch warten, das in Deutschland 2016 erscheinen wird. Seit kurzem liegt eine spannende Ausgabe der Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte vor", die als Beilage stets der Wochenzeitung "Das Parlament" beigefügt wird, deren Herausgeber die Bundeszentrale für politische Bildung ist. Der Redaktion der Zeitschrift ist ein echter Coup gelungen, in dem sie den wissenschaftlichen Weltstar zu einem mehrseitigen, sehr packenden Interview und dort für den Versuch gewann, sein Konzept auf gegenwärtige thematische Herausforderungen anzuwenden. Naisbitt, auf den auch die Popularisierung des Begriffs "Globalisierung" zurück geführt wird, geht in dem Interview auf sehr kritisch auf die Verwendung seines Konzepts in Politik, Wirtschaft und Verwaltung ein. Vor allem der Politik gibt er ein vernichtendes Zeugnis. Taktische Kurzsichtigkeit, Schielen auf Wahltermine, kein Mut zu weit vorausschauenden Prognosen, Blindheit gegenüber wirklich tief greifenden Umwälzungen.
Sozusagen als wissenschaftlicher Gegenpol ist am Ende der Ausgabe ein Beitrag des renommierten deutschen Zukunftsforschers Horst Opaschowski platziert. Er relativiert nicht nur Naisbitt, sondern er bewertet vor allem die Prognosekraft der ökonomischen Zukunftsforschung skeptisch. Gegen das Konzept der Trendforschung setzt er auf die Exaktheit wissenschaftlicher Zukunftsforschung, deren Ergebnisse vorwiegend über nachprüfbare sozialwissenschaftliche Methoden wie Interview- und Umfragetechniken, Delphi- und Expertenumfragen etc. zustande kommen sollten.
Zu empfehlen ist: Beide Beiträge sind zusammen zu lesen. Das ist spannend und befruchtend. Zwischen den Texten von Naisbitt und Opaschowski werden dann von weiteren Fachwissenschaftlern einzelne Gegenwarts-Phänomene betrachtet, die in den Rang von Megatrends kommen könnten oder diesen Rang zumindest schon seit gewisser Zeit beanspruchen (z.B. Industrie 4.0, Klimapolitik, Mobilität).
Insgesamt ein kurzweiliger, sehr anregender, gelungener Themen-Mix, dessen roten Faden der Leser stets gut im Blick behalten kann.
Markus Kiefer
(Kolumne vom 15. November 2015 auf www. markus-kiefer.eu)
Lektüre
Themenheft "Megatrends" = Aus Politik und Zeitgeschichte - Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament", Jg. 65, Nr. 31-32/2015 vom 27. Juli 2015