Mitarbeiterkommunikation - aktuelles Handbuch erarbeitet State of the Art

Ein aktuelles Handbuch des Springer Gabler Verlags erarbeitet den wissenschaftlichen State of The Art zur Mitarbeiterkommunikation.

An dieser Stelle wurde bereits ausführlich die überarbeitete Auflage des Handbuchs Unternehmenskommunikation vorgestellt, herausgegeben von Ansgar Zerfaß, Manfred Piwinger und Ulrike Röttger, Erscheinungsjahr 2022. Dieser 1065-Seiter war allerdings "nur" der Kern des Standardwerkes, mit seinen früheren ersten Auflagen aus 2007 und 2014. Bei der Neukonzeption entschieden sich Verlag und Herausgeber, das Werk in einer nunmehr vierbändigen Reihe zur Unternehmenskommunikation aufzusplitten und neu zu konzipieren. Den Themen Kapitalmarktkommunikation, Public Affairs und Mitarbeiterkommunikation wurden nunmehr eigene Bände gewidmet. Dafür ausschlaggebend waren natürlich Platz- und Volumengründe, nicht zuletzt aber der in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegene Stellenwert dieser drei Themenfelder.

Hier zu besprechen ist jetzt der Band zur Mitarbeiterkommunikation, erschienen vor drei Jahren. Die drei Herausgeber-Persönlichkeiten sind klangvolle Namen der Wissenschaftsszene. Sabine Einwiller, PR-Professorin an der Universität Wien und Sonja Sackmann, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität der Bundeswehr in München, sind angesichts ihres bisherigen wissenschaftlichen Records zweifellos einschlägig im Themenfeld dieses Handbuches. Und Professor Ansgar Zerfaß, weltweit einer der meistzitierten deutschen Sozialwissenschaftler als dritter Herausgeber, bedarf hier keiner sonderlichen Vorstellung.

54 Autorinnen und Autoren haben die Herausgeber für Beiträge gewonnen. Und auch wenn sie es nicht ausdrücklich als Anspruch formulieren, wenn ein solches Handbuch im Verlag Springer Gabler erscheint, dann will es natürlich State of The Art sein. Ist es das auch? Nun, eine gut begründete Antwort muss sich zum Beispiel entlang der Frage entwickeln, ob die primär adressierten Lese-Zielgruppen des Buches am Ende wirklich adäquat bedient worden sind. Die Herausgeber nehmen im in ihrem Vorwort drei Gruppen ins Visier: a) Kommunikations- und Personalverantwortliche in Unternehmen/Organisationen, b) Verantwortliche in Kommunikations-Beratungen und Agenturen c) Forschende, Lehrende und Studierende vor allem der Kommunikationswissenschaften, der BWL und der (Organisations- und Wirtschafts-) Psychologie. Ist die Reihenfolge der genannten Adressaten auch eine bewusst gesetzte Priorität? Dann - so der Eindruck des Rezenten, nachdem er die Beiträge über mehrere Wochen hinweg einen nach dem anderen gelesen hat - wäre der Anspruch nur in Teilen eingelöst, am überzeugendsten vor allem für die unter c) Genannten. 

Dafür steht allein schon die Gewichtung der herangezogenen Autoren. Die Herausgeber betonen im Vorwort zwar mit Recht ihre interdisziplinär angelegte Auswahl der Beiträger. Aber die drei benannten Bereiche (Hochschulen, führende Agenturen und Unternehmen) sind dann doch unproportional vertreten. Tatsächlich sind unter den 54 Autorinnen und Autoren nur neun Praktiker, wenn auch überwiegend sehr namhafte (u.a. Arndt, Deekeling, Schick, Buchele). Die große Mehrheit sind Professorinnen und Professoren (31) und akademischer Mittelbau bzw. Nachwuchs aus verschiedenen Hochschultypen. Was darf, was will man bei einer solchen Zusammensetzung erwarten? Sicher kein Kompendium mit überwiegend konkreten Handreichungen für die Praxis. Und das ist der Band auch nicht. Sehr wohl aber ein reflektierter, souveräner Überblick zum Stand der Forschung in der jüngeren Vergangenheit. Und genau dies leistet dieses Handbuch. Wenngleich in unterschiedlicher Güte, Tiefe und Dichte innerhalb der insgesamt acht Hauptkapitel: I Grundlagen, II Basiskonzepte, III Theoretische und disziplinäre Zugänge, IV Internes Kommunikationsmanagement, V Instrumente und Plattformen, VI Evaluation und Wertbestimmung, VII Informelle Kommunikation, VIII Anwendungsbereiche.

Da liest sich kein Beitrag enttäuschend, das hat alles Qualität und Substanz. Denkanstöße und Impulse erhält man in wirklich jedem Aufsatz.

Wer einen vollen Überblick haben will, dem sei der Lektürestart mit der Einleitung der drei Herausgeber nachdrücklich empfohlen. Sie systematisieren das Feld, klären die zentralen Begriffe, beschreiben die zentralen Ziele und Handlungsfelder. Fundamental ist ihnen die Abgrenzung zwischen Mitarbeiterkommunikation und Interner Kommunikation ein Anliegen. Letzteres verstanden als ein geplantes kommunikatives Einwirken verantwortlicher Manager auf die diversen Zielgruppen innerhalb eines Unternehmens. Ersteres verstanden als das Gesamt der Kommunikation in Richtung aller Mitarbeitenden, zwischen den Mitarbeitern und von ihnen ausgehend (beispielsweise als sog. Unternehmensbotschafter). Als Verständnis von Mitarbeiterkommunikation ergibt sich somit: "Diese wird umfassend verstanden im Sinne aller kommunikativen und informativen Vorgänge, in denen Organisationsmitglieder in ihrer Rolle als Mitarbeitende oder als potentielle Mitarbeitende adressiert werden oder selbst kommunizieren" (S. 3). Eine weitere wertvolle Abgrenzung von organisationsinterner Mitarbeiterkommunikation (z.B. Vorstände zu Führungskräften, Führungskräfte zu ihren Teammitgliedern) und organisationsexterner Mitarbeiterkommunikation (z.B. Mitarbeiter als Influencer oder die Arbeitgeberkommunikation gegenüber potentiell neuen Belegschaftsmitgliedern) schließt an. 

Des Weiteren beschreiben die Herausgeber die gestiegene Bedeutung der Mitarbeiterkommunikation, deren zentrale Ziele, Funktionen und Handlungsfelder - und ordnen die verschiedenen Beiträge des Bandes dann einleuchtend ein. Als Ergänzung eignet sich gut der nachfolgende Beitrag von Ulrike Buchholz, als langjährige Professorin für Unternehmenskommunikation an der Hochschule Hannover ebenfalls eine Koryphäe im Themenfeld. In ihrem Beitrag verstärkt sie die Thesen der Herausgeber, dass sich nämlich die Rolle der internen Kommunikationsmanager von reinen Informationsüberbringern massiv verändert in Richtung von Coaches, Enablern und Orientierungs-Lotsen. Vor dem Hintergrund einer insgesamt stärker Dialog-orientierten Kommunikation. Bei Lektüre ihres Beitrags versteht man die Herausforderung unserer Zeit an die Disziplin der der Internen Kommunikation sehr gut. Sie ist nämlich und wird in der Zukunft sicher noch verstärkt und mehr denn je ein zentraler Ansatz der Unternehmensführung und der Menschenführung. Den studentischen Leser, vor allem in den ersten Studienjahren noch etwas unerfahren und nach Orientierung suchend, könnte dabei verwirren, dass die Definition von Interner Kommunikation nach Buchholz derjenigen von Mitarbeiterkommunikation in der Herausgeber-Einleitung mindestens sehr nahekommt. Aber so ist das eben in der Wissenschaft mit ihren unterschiedlichen Akzentuierungen in der Analyse desselben Phänomens - und das ist vielleicht nicht jedem Leser immer sofort einleuchtend.

Für den Praktiker-Leser mögen derlei begrifflich-konzeptionelle Differenzierungen ohnehin keine so große Rolle spielen. Er will wissen, was die zentralen Themen, Trends, Instrumente sind, die er für sein Unternehmen und seine Organisation keinesfalls verpassen darf. Dies wird er weniger in den Kapiteln II bis IV finden. Hier ist eher der Ort für den akademisch orientierten Leser, wenngleich der erfahrene Leser natürlich einiges schon an anderer Stelle von den gleichen Autoren schon zuvor wahrgenommen hat. So beispielsweise, wenn Sonja Sackmann die Zusammenhänge zwischen Unternehmenskultur und Mitarbeiterkommunikation ausführt oder wenn Nicole Rosenberger und Marcus Niederhäuser die Corporate Identity als zentrale Bezugsgröße fokussieren. Das sind Themen-Klassiker, die in einem solchen Handbuch sicher ihren Platz finden müssen. Aber moderner und neuartiger und noch nicht so oft vorgetragen klingen da schon eher die Ausführungen von Petra Winkler und Uta Rußmann, die mit der der aus ihrer Sicht berechtigten Vielstimmigkeit einer Kommunikation (Polyphonie, z.B. durch ein Nebeneinander von gemanagter interner Kommunikation und dem weitgehend freien Agieren von Mitarbeitern als Markenbotschaftern) eine durchaus mutige Neuorientierung vorschlagen. Dies alles artikuliert sich in Kapitel II, dem sich in Kapitel III die je unterschiedlichen Forschungsperspektiven aus Personalwissenschaft, PR-Forschung und Markenführung anschließen. Theoretiker-Feld ist auch noch Kapitel IV über das Interne Kommunikationsmanagement, wo der erfahrene Leser ebenfalls sicher manches zuvor schon einmal andernorts gelesen hat (beispielsweise Siegfried Schick über Planungsaspekte, Helmut Ebert über Visionen und Leitbilder). Für die jüngeren studentischen Leser sicher wertvoll, wie Führungskräftekommunikation (Andreas Voß und Ulrike Röttger) im Verständnis abzugrenzen ist von genereller Führungskommunikation (Sonja A. Sackmann). Und sowohl für den jüngeren wie den schon erfahrenen akademischen Leser bringt ein Beitrag wie der von Erna Herzfeld und Sonja A. Sackmann über virtuelle und internationale interne Kommunikation gewiss wertvolle neue Anregungen, die auch über die Corona-Zeit hinaus bedeutend sein werden.

In den Kapiteln V, VI und VII kommen dann sicher wissbegierige Personalverantwortliche und Kommunikationsverantwortliche zum Zuge, die als Leser wissen wollen, auf welche Kommunikationskanäle man (noch) setzen kann und wo sich Neues ergibt. An dieser Stelle kann natürlich nicht auf jeden Beitrag einzeln eingegangen werden, aus Platzgründen wählt der Rezensent aus. Der Praktiker-Leser wird einerseits Bestätigung für Erwartbares finden (beispielsweise von Pia Sue Helferich und Thomas Pleil über Social Networks oder von Frank Wolf und Thomas Böhringer über Mobile Medien). Aber auch Überraschendes, wenn u.a. beispielsweis Constanze Jecker über die bleibende, wenngleich transformierte Rolle der Mitarbeiterzeitschrift, wenn Jens Seiffert-Brockmann über spielerische Ansätze (Gamification), Desirée Ladwig und Michael E. Domsch ihre Erkenntnisse über die klassische Mitarbeiterbefragung im modernen Gewand als Führungsinstrument berichten oder wenn Alessandra Mazzei, Silviana Ravazzani und Daniel Wolfgruber den überraschenden Wert von Whistleblowern aufzeigen können (im Kontext einer ethischen Unternehmensführung oder einer vorbeugenden Krisenprävention). 

Als besondere Überraschung an präsentierter Qualität erweist sich das achte und letzte Kapitel über Anwendungsfelder. Vor allem weil dort Namen, die vielleicht aus der etablierten Wissenschaft, Forschung und Lehre noch nicht so vertraut sind, mit neuartigen, anregenden, wertvollen Impulsen für die interne Kommunikationspraxis aufwarten. Das gilt insbesondere für den Artikel von Angelika Heizereder, die als Kommunikationsmanagerin für eine soziale Einrichtung der Evangelischen Kirche arbeitet und hier spannende Einblicke in eine moderne Arbeitgeberkommunikation gibt. Oder aber für den Beitrag Martin J. Eppler über Wissenskommunikation, der vier (optische) Navicons für die Gesprächsführung und Moderation von internen Gesprächen vorschlägt. Oder wenn Mats Heide (Professor für Strategische Kommunikation an der schwedischen Universität Lund) den in der Literatur bislang eher stiefmütterlichen behandelten Beitrag der internen Kommunikation im Kontext von Krisen-PR bearbeitet. Erwähnenswert ebenfalls die Verbindungslinien von Ethik, Unternehmenskultur und Mitarbeiterkommunikation, wie sie vom Kommunikationsethiker Daniel Wolfgruber überzeugend gezogen werden. Das ist alles sehr innovativ, ausreichend konkret und anregend und daher für die Übertragung in die Kommunikationspraxis vorstellbar. 

Bei aller Wertschätzung dieses Sammelbandes seien dem Rezensenten Vorschläge zur Optimierung bei weiteren Auflagen und Neubearbeitungen seitens der Herausgeber nachgesehen und oder vielleicht sogar erlaubt. Nicht wirklich durchgezählt aber gefühlt in mindestens zehn Beiträgen bekommt der Leser in der Einleitung und als Hinführung zum Thema die VUCA-Welt erklärt. Einmal reicht das eigentlich und die Herausgeber leisten das ja auch in ihrer Einleitung schon. Durchaus repräsentiert, aber im Vergleich zum Kommunikationsmanagement im Volumen unterrepräsentiert, ist die Perspektive des Personalers. Lässt sich für eine ergänzte, weitere Auflage nicht vielleicht doch ein hochkarätiger Personalvorstand eines börsennotierten Unternehmens für seine Sicht auf die Mitarbeiterkommunikation gewinnen? Das sollte bei dem Netzwerk der drei Herausgeber möglich sein. Wünschenswert aus Lesersicht ist es allemal. Wünschenswert wären weiterhin Beiträge, die sich an der unterschiedlichen Werte-Achse der verschiedenen heute in Betrieben arbeitenden Generationen ausrichten. Babyboomer, die Generationen X, Y, Z und demnächst Alpha haben völlig unterschiedliche Erwartungen an die Kommunikation von Arbeitgebern. Das betrifft Haltungen, Richtungen, Tonalitäten, Modalitäten und Instrumente. Das wird zwar im Sammelband immer mal wieder angedeutet, aber nicht fokussiert ausgeführt. Diese Perspektive könnten die Herausgeber vielleicht durch Einbringen weiterer Beiträge verstärken. Dass sie die differenzierte soziokulturelle Brille bei der Auswahl der Autoren durchaus aufhatten, davon zeugt ja beispielsweise der lesenswerte Beitrag von Alina S. Hernandez Bark und Tanja Henschel über eine geschlechtersensiblere Sprache, sichtbar bis hinein in Stellenausschreibungen. Und weiter: es werden im Buch zwar viele Studien zitiert, aber vielleicht lassen sich zukünftig noch mehr Autoren gewinnen, die neue Studienerkenntnisse dann erstmals mit dem Erscheinen des Sammelbandes timen und dort erstmals ausrollen. Das würde den Neuigkeit-Wert innerhalb eines solchen Handbuches stärken. Zuletzt: die zumeist ausführlichen Literatur- und Quellenverzeichnisse in allen Aufsätzen seien hier ausdrücklich gewürdigt. Aber die ganz überwiegende Selbst-Referenzialität der Scientific Community ist in Summe schon auffällig. Wünschenswert wäre hier die häufigere Rezeption von gediegenen Fachzeitschriften, mit ihren oft sehr wertvollen Werkstatt-Berichten Best und Worst Cases, z.B. im PR-Report, PR-Journal, oder KOM. Auch dies wären ja werthaltige Quellen, gerade auch für studentische Leser.

Diese Bemerkungen sollten aber nicht als abschätzig oder abwertend verstanden werden. Insgesamt ist den Herausgebern ein wirklich bemerkenswert guter Wurf gelungen, der vor allem als sorgfältige Selbstvergewisserung der akademisch orientierten Forschung über die hiermit nachgewiesene Bedeutungszunahme der Mitarbeiterkommunikation bzw. des Internen Kommunikationsmanagements zu verstehen ist, hilfreiche Praxis-Impulse vor allem für strategisch ausgerichtete Kommunikationsmanager eingeschlossen.

Markus Kiefer

(Kolumne von Markus Kiefer vom 15. Dezember 2024 auf www.markus-kiefer.eu)

Lektüre

Sabine Einwiller/Sonja Sackmann/Ansgar Zerfaß (Hg.), Handbuch Mitarbeiterkommunikation. Interne Kommunikation in Unternehmen, Springer Gabler, Wiesbaden 2021, 636 Seiten, ISBN 978-3-658-23151-4, 159,99 ? Euro 

Erschienen am 15/12/2024 08:22
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Für Sie gelesen
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