Ohne gute (Social Media) Theorie - Praxis-Resultate überschaubar

Das Social Media Handbuch aus dem NOMOS Verlag erfährt seine 4. Auflage, aktualisiert, überarbeitet, verbessert.

Stefan Stumpp/Daniel Michelis/Thomas Schildhauer (Hg.), Social Media Handbuch. Theorien, Methoden, Modelle und Praxis, 4. Auflage, NOMOS Verlag, Baden-Baden 2021, 402 S., Euro 44,--

 

Das Social Media Handbuch aus dem NOMOS Verlag hat sich schon seit längerem seinen festen Platz gesichert, mindestens in der akademischen Fachwelt gilt es als Standardwerk über die Sozialen Medien. Frühere Auflagen wurden durch den Rezensenten an anderer Stelle umfassend rezensiert (M. Kiefer, Unternehmenskommunikation, RECITO, Essen 2018, S. 132-134). Deswegen beschränkt sich diese Rezension vor allem auf die Neuerungen der hier vorliegenden vierten Auflage.

Zu den bisherigen Herausgebern, den Professoren Daniel Michelis (Digitale Kommunikation, FH Anhalt) und Thomas Schildhauer (Electronic Business insbesondere Marketing, Hochschule der Künste Berlin) hat nun ein weiterer praxis-orientierter, im Thema besonders fachkundiger Hochschullehrer eine aktive Herausgeber-Rolle übernommen. Stefan Stumpp bekleidet eine Vertretungsprofessur für BWL insbesondere Digitalisierung an der FH Anhalt. Er hat sich wesentlich in die Überarbeitung und Neukonzeption des Buches eingeschaltet und zeichnet nun mehrfach neu als Mit-Autor für überarbeitete, aktualisierte Beiträge.

Auffällig gegenüber der vor sechs Jahren erschienenen dritten Auflage ist die deutliche Reduzierung im dritten und letzten Teil des Buches. Waren im dortigen Praxisteil vor sechs Jahren noch zehn Cases abgedruckt, sind es nun nur noch drei. Das schadet dem Buch aber ganz und gar nicht. Im Gegenteil, es stärkt seine Rolle als Benchmark für Social Media-Theorie. Denn dieses Handbuch will ja gar kein Praxis-Leitfaden sein. Seine Stärke war die komprimierte Darstellung von Theorie. Dies ist das Thema im Mittelteil des Bandes und er blieb - erfreulicherweise! - im Wesentlichen fast unverändert. Hier wurden und werden die Schlüsselwerke der zumeist amerikanischen Vordenker des modernen Internet und der Social Media-Welt komprimiert zusammengefasst oder auf andere Art intelligent rezensiert. Nach fester Überzeugung des Rezensenten gelingt es keinem anderen Fachbuch derzeit so gekonnt, die Schlüssel-Publikationen Gedankengänge, Modelle, innovativen Theorien und methodischen Vorschläge von Star-Autoren von weltweitem Rang wie u.a. Malcolm Gladwell (Tipping Point), James Surowiecki (Die Weisheit der Vielen), Chris Anderson (The Long Tail), Jeff Howe (Crowdsourcing), Clay Shirky (Organisieren ohne Organisationen), Charlene Li und Josh Bernoff (POST-Methode) gleichermaßen kompakt wie präzise wiederzugeben. 

Wer verstehen will, welche so ganz andere Form der Öffentlichkeit durch Social Media geschaffen wird bzw. werden kann, der wird es nirgendwo besser verstehen als durch dieses Buch. Social Media sind eben in erster Linie nicht Technik und Plattform. Sondern eine neue Kommunikationsphilosophie. Eine Mischung von Transparenz, Authentizität, Gratis-Kultur, Schenken und Beschenkt werden, Zusammenarbeit, Interaktion, Gespräch auf Augenhöhe, Abbau von Hierarchien, von Offen-sein und Offenheit. Diese Kommunikationsform ist nicht von einem erfunden worden, sondern von vielen. Und diese Gesamtschau der neuen Ideenwelt, das ist das Unverwechselbare an diesem Handbuch. 

Aber die Herausgeber haben keineswegs übersehen, welche neuen Entwicklungen der vergangenen Jahre auch die Social Media-Welt weiterhin verändern. Neue Aufsätze sind in diesen zentralen Mittelteil des Handbuches aufgenommen worden. Diese thematisieren die Rolle von Bots, das  stark wachsende  "Social Dark" (semiöffentliches Teilen von Informationen über Instant Messenger-Dienste wie WhatsApp oder WeChat) , die zentrale Stellung von Algorithmen, den Vormarsch der künstlichen Intelligenz.

Überarbeitet und neu gefasst ist weiterhin das erste Drittel des Buches. In diesem Grundlagenteil führen die Herausgeber Stumpp und Michelis gekonnt in die Sozialen Medien ein und bieten einen Leitfaden für Social Media-Strategie. Weitere sehr aktuelle Beiträge zeigen Geschäftsmodell-Ansätze von Social Media auf (großartige Gesamtschau von Christian Wissing), auch in der modernen Canvas-Variante (Than H. Pam). Neu ist auch der Beitrag zur gesellschaftlich stetig sensibler werdende Datenschutz-Problematik, speziell nach dem wegweisenden EuGH-Urteil in der Rechtssache Facebook vom 5.6.2018, das neuerdings die gemeinsame Verantwortung von Seiten-Betreibern und von Plattform-Betreibern betont (Tobias Knopf/Sebastian Volkmann).

Fazit: Wer einfach nur wissen will, welche konkrete Social Media-Plattform am besten zum eigenen Tun passt und am liebsten noch einen How to do-Leitfaden dazu hätte, der ist hier falsch. Wer verstehen will, wie Social Media-Kommunikation gelingen kann, der liegt auch mit der vierten Auflage des Handbuches unverändert richtig. 

Markus Kiefer

(Kolumne von Professor Dr. Markus Kiefer vom 15. September 2021 auf www.markus-kiefer.eu)

Empfehlung

Stefan Stumpp/Daniel Michelis/Thomas Schildhauer (Hg.), Social Media Handbuch, Theorien, Methoden, Modelle und Praxis, NOMOS, 4. Auflage, Baden-Baden 2021, 402 S.

Erschienen am 15/09/2021 08:20
von Markus Kiefer
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