Politisch unkorrekt bis in die letzte Sendeminute - Gottschalks "Wettendass"-Abschiedsbotschaft

Thomas Gottschalk nützte seine allerletzten "Wettendass"-Moderationsworte zu einer nachdenklich machenden Botschaft.

Er hätte es sich einfacher machen können. Einfach mit einem letzten Dank an sein treues Publikum als Allzeit-Legende in den Sonnenuntergang reiten, vom Beifall umrauscht.

Wenn ein so auf seine öffentliche (positive) Wirkung bedachter Star wie Thomas Gottschalk dagegen seine Abschiedsworte für fast bittere Worte nützt, dann hat er in diesem Fall, anders als sonst, zuvor sicher sehr gründlich darüber nachgedacht. Ganz im Gegensatz zu seinen sonstigen Spontan-Kalauer-Sendefestivals. Natürlich fielen große Teile des Netzes sofort und bis heute über seine Schlußsätze in der allerletzten "Wettendass"-Sendung her, wonach er besser nichts mehr sage (wenn er im Fernsehen nicht mehr reden dürfe wie daheim). Die Protagonisten der Cancel Culture verbieten anderen gern alles, legen sich selbst im Niedermachen von Andersdenkenden selbst keinerlei Zurückhaltung auf. Mich hat deutlich mehr als diese Gottschalk-Kritiker beeindruckt, dass schon kurz nach der ZDF-Sendung Harald Schmidt sich mit einem zustimmenden Tweet beim erfolgreichsten deutschen Showmaster aller Zeiten bedankte. Und Schmidt ist ein hoch intelligenter Intellektueller, der seine Worte sehr mit Bedacht wählt. Und noch nachdenklicher stimmt mich das beredte Schweigen der Programmverantwortlichen des ZDF. Kein Wort dazu. Übrigens auch kein Wort des Dankes von Programmdirektor oder Intendant innerhalb der Sendung. Zu einem Mann, der x-mal ein zweistelliges Millionen-Publikum zum Einschalten brachte, auch noch in seiner 153. Sendung. deutlicher und beredter konnte kaum zum Ausdruck gebracht werden, dass der Moderator recht hat, wenn er die Rückendeckung der Verantwortlichen nicht mehr spürt(e).

Gewiss gab es in Jahrzehnten den ein oder anderen deftigen gesellschaftspolitischen Gottschalk-Spruch, der misslungen war, weil er als diskriminierend wahrgenommen wurde bzw. werden konnte. Die gab es bei Kulenkampff und anderen aber auch. Der Preis, den diejenigen bezahlen, die sich nicht verbiegen wollen.

Umfragen belegen inzwischen ausreichend, dass viele im Land das Gefühl haben, in der Öffentlichkeit nicht  mehr alles sagen zu können. Jedenfalls nicht ohne die Gefahr von Sanktionen und Folgen. Wenn sich derlei Gefühl und Wahrnehmungen ausbreiten, ist das schleichendes Gift für eine vitale Demokratie. Natürlich gibt die letzte Gottschalk-Botschaft solchen Wahrnehmungen Auftrieb. Das dürfte auch der Grund dafür sein, warum so viele öffentliche Statements ihn harsch in die Schranken wiesen. Besser wäre jedoch, wenn wir der Sache nach und auf den Grund gingen. Und ich hoffe, dies wird gemacht. Und es ließe sich auf verschiedene Weise leisten. In nicht-öffentlichen Gesprächen in Fernsehsender und Medien, in wissenschaftlichen Studien, in Akademie-Gesprächen und interdisziplinären Analysen.

Wenn ich Programmverantwortlicher wäre, zum Beispiel im ZDF, ich würde solche Abschiedsworte meines jahrzehntelangen Erfolgs-Garanten nicht einfach so im Raum stehen lassen.

Markus Kiefer

(Kolumne von Markus Kiefer vom 1. Dezember 2023 auf www.markus-kiefer.eu)

Erschienen am 01/12/2023 09:22
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Auf den Punkt
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