Politische Plakatwerbung - mangelnde Unterscheidbarkeit, mangelnde Präzision
Nur noch wenige Tage bis zur Europawahl. Stellen die derzeit omnipräsenten Wahlplakate eine Entscheidungshilfe dar?
Da ich in den letzten Tagen mehrfach im Straßenverkehr nordrhein-westfälischer Städte unterwegs sein musste, verband ich dies mit einem Experiment. Ich stellte mir vor, auf dem Weg zum Wahllokal zu sein, noch unentschlossen im Europawahl-Votum. Würden mir die im Straßenbild omnipräsenten Wahlplakate dabei eine Entscheidungshilf sein?
Bei den Parteien der politischen Mitte sah ich zum einen viele Köpfe, zum anderen abstrakte Motive. Um die Köpfe und vor den Hintergründen dominierten Begriffe. Mein vorbeifahrendes Auge sah: Wohlstand - Klimaschutz - Frieden - Sicherheit - Freiheit - Zusammenhalt. Als Tun-Orte waren dominant: beschützen, verteidigen. Alles ziemlich abstrakt. Ziemlich austauschbar. Zuweilen sah mein vorbeifahrendes Auge auch Köpfe, die gar nicht zur Wahl stehen (Kanzler, Außenministerin, Oppositionsführer im Bundestag...).
Sofern Autofahren und die Mitfahrer im schnellen ÖPNV auch die Wahlwerbung der politischen Ränder wahrnehmen, werden die Forderungen schon konkreter. Wobei man sich bei vielen Wahlplakaten der AfD oder der Linken dann schon fragt, warum sich diese Forderungen denn an die europäische Ebene richten - wo sie doch in Berlin entschieden werden könnten.
Alles in allem bleibt der Eindruck vergangenen Wahlkämpfe. Sonderlich kreativ ist das alles nicht. Und in Summe eher eine Unterforderung des Wählers, vermischt mit simplen Ansätzen psychologischer Manipulation.
Schon klar, Plakate können keine Wahlprogramme abdrucken. Ihre Grundfunktion ist es, für Aufmerksamkeit und Wahrnehmung und Präsenz eines Angebots zu sorgen. Die Konturen dieses politischen Angebots aber zumindest in aussagekräftiger Thesenform deutlich substantieller zu vermitteln, das sollte mit modernen Kommunikations-Mitteln und entsprechender Gestaltungstechnik doch möglich sein. Ansonsten bleibt vor allem der Eindruck von Beliebigkeit. Und das war noch nie ein Wahlmotiv, vor allem nicht für den sehr großen Kreis der Unentschiedenen und potentieller Nicht-Wähler.
Markus Kiefer
(Kolumne von Markus Kiefer vom 1. Juni 2024 auf www.markus-kiefer.eu)