Raus aus der Komfortzone!

Die Komfortzone zu verlassen, ist eine inflationär verbreitete Aufforderung. Was bewirkt sie im betrieblichen Alltag?

Wer hat diesen Rat nicht schon selber mehrfach bekommen: "Du musst Deine Komfortzone verlassen!" Wenn geschulte Psychologen das vorschlagen, hat es immer einen besonderen Anlass und der Rat erfolgt auf gut vorbereitetem Boden. Dabei geht es in der Regel darum, selbst gesetzte oder selbst verordnete Grenzen zu überwinden, die der/dem Betroffenen häufig auch nur bedingt bewusst sind. Sportpsychologen und Mentaltrainer verlangen das von den ihnen Anvertrauten, wenn es darum geht in Grenzsituationen und in der Crunchtime mutig, aktiv und offensiv zu agieren.

Etwas ganz anderes ist es hingegen, wenn Manager das in ihren Betrieben inflationär gebrauchen. Denn was bewirkt es dort? Es wird von den Belegschaften als Dauerdruck empfunden. Es wird als Mißtrauenserklärung verstanden werden. Als Generalverdacht, nicht die beste Leistung abzurufen. Und als Vorwurf von Motivationsmängeln.

Und die an dieser Stelle schon häufig zitierten Gallup-Umfragen zum Mitarbeiter-Engagement-Index lassen ja auch durchaus den Schluss zu, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch Luft nach oben in ihrer Performance haben. dieses Potential wird man aber kaum mit einem Daueraufruf zum Verlassen der Komfortzone wecken. Hinzu kommt, dass sich in der Komfortzone die Regelarbeit ja auch durchaus gut und professionell erledigen lässt. In welchem Arbeitsvertrag und in welchem Unternehmensleitbild stünde denn, dass die geforderten Jobs nur mit dauerhafter, täglicher Höchstleistung zu schaffen sind? Und: wer würde solch einen Arbeitsvertrag wohl gern unterschreiben wollen?    

Wie wäre es richtig? Manager, die das Bild der Komfortzone verwenden wollen, sollten zunächst einmal das "Ihr" (müsst die Komfortzone verlassen) durch eine "Wir" ersetzen. "Wir müssen die Komfortzone verlassen!" Und das wäre jetzt zu ergänzen durch ein "um zu". Es geht dabei um die Formulierung außergewöhnlicher, jedoch durchaus als realistisch, erreichbar und als nützlich beschriebene Ergebnisse einer besonderen Spitzenleistung, die im Betrieb zu erbringen ist. Also als Ergebnis einer außergewöhnlichen Anstrengung, aller gemeinsam, Management und Belegschaft. Hierfür sollte der sprachliche Einsatz des Aufrufs zum Verlassen der Komfortzone beschränkt bleiben. So kann er vielleicht doch im betrieblichen Kontext wirksam werden.

Markus Kiefer

(Kolumne von Markus Kiefer vom 1. Juli 2022 auf www.markus-kiefer.eu) 

Erschienen am 01/07/2022 09:36
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Auf den Punkt
Teilen :