Sauerlands Abschiedsworte - anders formuliert

Die Abschiedsrede des Duisburger Oberbürgermeisters - keine glückliche Rhetorik

Auffällig viele Unternehmer und Politiker verfehlen in der Stunde des öffentlichen Abtritts den rechten Ton. Jüngstes Beispiel: der abgewählte Duisburger Oberbürgermeister. Als Adolf Sauerland am Sonntagabend des 12. Februar nach seiner deutlichen Abwahl vor die Mikrophone und Kameras trat, hatten die Fernsehzuschauer den Eindruck, da rang vor allem ein negativ Überraschter mit seiner Verwunderung.

Sicher, in solchen Ausnahmesituationen übernehmen oftmals die eigenen Emotionen das Kommando. Und dennoch, auch eine solche kommunikative Ausnahmesituation läßt sich ja vorbereiten. Jedenfalls dann, wenn man richtig beraten ist. Und wenn man sich dann auch darauf einläßt, beraten zu werden. Der WDR zeigte am Abend nach dem Duisburger Volksentscheid eine beeindruckende Fernseh-Dokumentation über Sauerlands Weg in den vergangenen Monaten bis zum Tag der Entscheidung. In einem durchaus objektiven Porträt wurde ein gar nicht so unsympathischer Politiker in seinen Blockaden genauso sichtbar wie in seiner angeschlagenen Nachdenklichkeit.

Aber wie kam es, daß einem Adolf Sauerland, einem ja bis zur Loveparade durchaus erfolgreichen Politiker, dem sogar "Menschenfischer"-Qualitäten nachgesagt wurden, seit dem Tag des Unglücks alles abhanden gekommen ist, was der öffentliche Auftritt fordert? Wer den WDR-Film anschaute, sah vor allem einen Mann, der allein und einsam - und auch kaum zugänglich war. Kaum vorstellbar, daß dieser Mann in all seiner Bedrängnis den professionellen theologischen, psychologischen und kommunikativen Rat bekommen hat, den eine solche Ausnahmesituation eigentlich verlangt. Beraten war er vermutlich nur juristisch. Aber mit juristischem Rat allein meistert man keine kommunikativen Herausforderungen.

Zu wünschen wäre Sauerland, daß er morgen, wenn er seinen Schreibtisch im Duisburger Rathaus für immer verläßt, einen anderen Ton findet als am vergangenen Sonntagabend. Ein Vorschlag: "Liebe Duisburgerinnen und Duisburger! Ich verlasse heute meinen Schreibtisch im Duisburger Rathaus. Meine Amtszeit als Ihr Oberbürgermeister ist beendet. Ich habe seit vielen Jahren mit aller meiner Kraft für diese Stadt gekämpft und gearbeitet. Manche meinen, auf diesem Weg sei einiges erreicht worden und die Stadt wäre ein Stück voran gekommen. Aber in meine Amtszeit fällt eben auch jener Tag der Loveparade. Ich würde jeden politischen Erfolg, auf den ich zurückblicken darf, sofort weggeben, ich würde alles geben, was ich kann, wenn auch nur einer der Toten dieses Tages zurück ins Leben treten könnte. Kein politischer und kein ökonomischer Erfolg wiegen so viel wie ein Menschenleben. Ich werde für den Rest meines Lebens keinen der 21 Toten vergessen, keine ihrer Familien, ich werde an die vielen körperlich und seelisch Verletzten denken. Und ich werde nie aufhören, das zu tun. Lassen Sie mich zum Schluß eines sagen. Die 130.000 Bürgerinnen und Bürger, die für meine Abwahl gestimmt haben, diese 130.000 Duisburger und mich trennt gewiß vieles, aber eines nicht: die Liebe zu unserer Stadt Duisburg und die Suche nach dem Besten für die Stadt. Ich wünsche meiner Stadt, daß die Gräben nach meinem Weggang zugeschüttet werden können, daß die Wunden heilen und neue Gemeinsamkeiten entstehen können. Gott schütze Duisburg." Vielleicht wäre es leichter und besser, so zu gehen.

Markus Kiefer

(Kolumne vom 14. Februar 2012 auf www.markus-kiefer.eu)

Erschienen am 19/05/2019 17:15
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Auf den Punkt
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