Scrum - inzwischen etablierter Baustein der Innovationskommunikation

Scrum ist ein Ansatz der Produktentwicklung, der inzwischen weit über die IT-Branche hinaus eingesetzt wird.

Scrum ist ein inzwischen vielfach eingesetzter Ansatz in der Produktentwicklung. Ursprünglich aus der IT-Branche stammend, wird er mittlerweile in ganz unterschiedlichen Bereichen eingesetzt. Es gilt geradezu als ein wesentliches Management-Tool im Kontext der Agilität. Allerdings, der ursprüngliche Sinn wird hier zuweilen vielleicht übersehen. Denn Scrum ist nicht für jede simple Produktverbesserung oder einfach Innovation gedacht, sondern eigentlich für die Entwicklung komplexer Produkte in komplexen Umgebungen.

Da man in der Praxis eben nicht immer vom gleichen Verständnis ausgehen kann, was Scrum ist und leisten kann und was nicht, ist es sicher eine gute Entscheidung des GABAL-Verlags, den Ansatz in seiner 30-Minuten-Reihe kompakt erklären zu lassen. Der Autor Jürgen Hoffmann ist als zertifizierter Scrum-Trainer und zertifizierter Scrum-Coach und aktives Mitglied in der weltweiten "Scrum Alliance" in seiner Expertise über alle Zweifel erhaben.

Nun ist gerade diese Reihe eigentlich gedacht, in fachliche Sachverhalte auch ohne Vorkenntnisse einzuführen und es wird gerade bei diesem Buch betont, dass man es ohne IT-Vorkenntnisse verständlich lesen kann. Ist das eingelöst? Bedingt. IT-Vorkenntnisse braucht man vielleicht nicht, um die Ausführungen nachvollziehen zu können. Aber wer noch gar nicht mit Scrum gearbeitet hat, wird sich im Verständnis an der ein oder anderen Stelle schwertun. Beispiel? "Iterationen sind allein noch kein agiles Vorgehen! Scrum ist ein Produktentwicklungsframework für Inkrementelle Entwicklung." (S. 43). Alles kapiert? Passagen wie diese kommen wiederholt vor. Selbst wenn man die Zeilen zuvor und danach aufmerksam liest, hier ist doch zu viel vorausgesetzt und zu viel Fachbegriffliches in zwei Zeilen zu stark verdichtet. Hier wäre mehr Erklärung von Fachbegriffen und mehr Ausführung vonnöten. Was dann, das sei konzediert, in diesem 30-Minuten Klein-Taschenbuchformat von unter 100 Seiten eben wohl nicht geleistet werden kann.     

Manche Kapitel sind eher begrifflich abstrakt, andere dagegen sehr konkret und ein guter erster Leitfaden für die Praxis. Letzteres gilt besonders für das Kapitel 3.1 mit sehr genauen Ausführungen zur Bedeutung und Durchführung eines Scrum Kickoffs. In manchen Kapiteln gelingt Hoffmann die Aufschlüsselung der Begriffe für den Laien-Leser gut und vollständig, in anderen weniger. Manchmal schaffen erst die Kernsätze am Kapitelende die letzte Klarheit, die in den Ausführungen zuvor ein Stück weit fehlt. Siehe z.B. die sehr guten Kurz-Defiitionen über die drei Kern-Mitglieder eines Scrum Teams (Owner, Developer, Master) im abschließenden Kapitel "Fast Reader" (S.90).

Selbst wenn der noch unkundige Leser einzelne Bestandteile des Scrum-Konzepts nicht immer sofort versteht, die Konzept-Kernanliegen macht Hoffmann in jedem Fall deutlich. So zum Beispiel der Vorzug von Scrum in dem ständigen Zusammenspiel von Produktentwicklern, Management-Entscheidern und Kunden-Feedback.  Oder in der Erklärung der Werte-Basis von Scrum, zugleich ein Stück weit zugleich der Werte-Kontext von Agilem Management: Offenheit, Fokus, Commitment, Respekt und Mut (S. 19-21). 

Wo es an der zuvor erwähnten Klärung der Begriffe manchmal mangelt, gleicht es der Autor durch konkrete Beispiele aus seiner eigenen Beratungstätigkeit aus. Was bei anderen Büchern mit der Selbst-Referentialität gerade von Autoren, die hauptberuflich Berater sind, sehr oft aufdringlich wirkt, ist hier wohltuend und schafft durch beispielhafte Anschaulichkeit Klarheit. Das ist einer der deutlichen Vorzüge des schmalen Bandes. Bei manchen der beispielhaft erwähnten Tools wünscht sich der Leser dann noch eine beispielhafte Visualisierung. Wie sieht denn etwa ein gut gemachtes Vision Board aus? Das lässt sich sicherlich in einer Neuauflage noch ergänzen. Ebenfalls für eine überarbeitete Neuauflage wünschenswert: Bitte noch zwei oder drei Seiten, wie das von Hoffmann sogenannte "schnellzyklische" Kunden-Feedback genau eingebaut wird. Und wie oft und wann, etwa in einem dreiwöchigen, oder in einem vierwöchigen oder in einem dreimonatigen Scrum-Sprint. Das wären wichtige Erfahrungswerte für die praktische Umsetzung.

Gibt es in diesem Kontext irgendwo Einsatzmöglichkeiten für PR-Manager? Aber ja! Das Thema gehört in den Zusammenhang  der Innovationskommunikation. Und hier ist gekonntes Kommunikationsmanagement natürlich gefordert. Beispielsweise ist die Formulierung von griffigen Produkt-Stories ein wesentlicher Scrum-Baustein. Die zumindest teilweise Mitwirkung von PR-Managerinnen und -Managern in Scrum-Teams würde hier ganz sicher für Qualitäts-Sprünge sorgen. Desgleichen gilt für die Ausformulierung von Scrum-Visionen. Hoffmann selbst setzt in seinen Beratungs-Projekten auf die zwischenzeitliche Ausformulierungen von Pressemitteilungen zum neu entwickelten Produkt bzw. zu Zwischenergebnissen. Also Texte, die vor allem für Stakeholder wie Kunden sofort eingängig sind. Erfahrene PR-Leute können das ganz sicher weit besser formulieren und übersetzen als z.B. der involvierte Scrum Developer mit seiner Binnenperspektive und seiner Binnen-Fachsprache.

Fazit: Die Lektüre des Buches wird den ganz ahnungslosen Leser nur ein Stück weit schlau machen. Am besten geeignet dürfte es für Praktiker sein, die schon erste Erfahrungen mit Scrum gemacht haben und ihre Systematik verfeinern und das Handling einzelner Scrum Tools optimieren möchten.

Markus Kiefer

(Kolumne von Markus Kiefer vom 15. Oktober 2022 auf www.markus-kiefer.eu) 

Empfehlung

Jürgen Hoffmann, Scrum, GABAL, Offenbach 2021, 978-3-96739-079-7, Euro 9,90, 96 S.

Erschienen am 15/10/2022 09:06
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Für Sie gelesen
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