Spitzenteams zur Hochleistung führen
Teams zu führen ist eine Kunst, Hochleistungsteams zu führen eine ganz besondere. Uni St.Gallen-Starprofessor Wolfgang Jenewein kann uns in seinen Büchern erklären, wie es geht.
Der Rezensent könnte es sich mit der Begründung einfach machen, warum hier ein 12 Jahre altes Buch vorgestellt wird. Gute Führung braucht man immer. Leicht gesagt. Aber ist der nächste Satz nicht auch wahr? Manches Mal reicht doch einfach solides Management.
Wir leben in Zeiten, in denen Teams weit über das gewohnte Maß hinaus über einen langen Zeitraum Leistung bringen müssen, damit uns die Pandemie nicht überwältigt. Allen voran Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte in Krankenhäusern, Intensivstationen, COVID-Stationen, Alten- und Pflegeheimen. Wie geht das?
Natürlich, Menschen, die solche Berufe wählen, bringen zumeist ein hohes Maß an intrinsischer Motivation mit. Aber sie arbeiten nicht allein. Sie arbeiten mit anderen, sind auf Abstimmungen angewiesen. Eine Hand muss der anderen helfen, damit es funktioniert, ein Rädchen ins andere greifen, so reibungslos wie möglich. Und die Motivation muss hochgehalten werden, lange Zeit.
Gute Führung kann da helfen. Führungskräfte, die wissen, wie man Teams formt, ausrichtet, bei Laune hält, die für stimmige Kommunikation sorgen und die Ziel-Fokussierung nie aus den Augen verlieren.
Eine Anleihe bei Teams und deren Führung, die auf das absolute Top-Leistungs-Level ausgerichtet sind, führt uns weiter. Und hier ist man bei der Arbeit und den Publikationen von Wolfgang Jenewein bestens aufgehoben. Der prominente Professor an der Elite-Universität St. Gallen ist ein Leadership-Experte. Selbst im gesetzteren Alter noch Leistungssportler, der regelmäßig an Wettkämpfen auf Spitzenniveau teilnimmt, hat er in seinen Beratungsprojekten Spitzensportler auf Weltklasseebene begleitet und kann in seinen Publikationen seine Erfahrungen und Forschungen tief ausschöpfen. So zum Beispiel die Teamführung der deutschen Fußballnationalmannschaft in der Ära Klinsmann (WM-Dritter, "Sommermärchen). Oder aus dem Fallbeispiel des Schweizer Alinghi-Teams, das den wichtigsten Segelwettbewerb der Welt, den "Americas Cup", gleich zweimal hintereinander gewann.
Natürlich fragt sich jetzt der ein oder andere, inwiefern und ob überhaupt Beispiele aus dem Spitzensport zur Übertragung in die Unternehmenspraxis geeignet sind. Dazu nur ein Hinweis. Der zum "Welttrainer" des Fußballs gewählte Starcoach Jürgen Klopp hat sein früher intensives-Keynote-Programm auf nur noch wenige Termine im Jahr reduziert. Von zwei- bis dreimal ist die Rede. Vor ihm sitzen dann - ausschließlich Topmanager und Topunternehmer. Es wird seine guten Gründe haben.
Aber selbstverständlich schöpft ein Management-Professor gleichfalls Beispiele aus der Industrie aus. Jenewein beispielsweise durfte einen fundamentalen Turnaround-Prozess des Technologiekonzerns ABB unter der Führung von Topmanager Jürgen Dormann ein Stück weit aus der Nähe begleiten.
Aus diesen konkreten Fällen zitieren Jenewein und sein Mitautor Marcus Heidbrink mehrfach mit eindrucksvollen Wortlaut-Zitaten, wenn sie ihr 5-Faktoren Modell zur Erläuterung des Erfolgs von Spitzenteams Schritt für Schritt entfalten.
Zunächst geht um die Zielbestimmung incl. Vision, Mission und Mission-Statements. Erfolgsfaktor 2 wird als (kompromisslose) Personalauswahl bestimmt, die nicht nur auf fachliche Exzellenz, sondern zugleich auf menschliche Passung achtet. Schritt 3 ist die Klärung von Rollen und Strukturen des Teams. Faktor 4 bestimmt die "Spielregeln". Man könnte auch formulieren: effektive Binnenkommunikation im Hochleistungsteam. In diesem sehen die Autoren u.a. einen Primat für die Holschuld der Information gegenüber der klassischen Top down-Bringschuld. Das entspricht so auch den weitgehenden Erwartungen von Topleuten, die in ihren Teams ein hohes Maß an Autonomie und selbstverantwortlichem Handeln erwarten. Direkte Feedback-Kultur ist hier ebenfalls wesentlich, wie auch Regeln zur schnellen Konfliktbewältigung. Dann folgt Kapitel 5, mit dem das Modell abschließt: Fokussierung auf das Ziel mit Willensstärke und Krisenbewältigung.
Im dritten und letzten Teil des Buches führen die Autoren das Ganze zu einem Modell zusammen. Sie nennen es das "Leadership-Haus für High-Performance-Teams". Dieses Schluss-Kapitel unterstreicht auf eindrucksvolle Weise dann deutlich, dass alles getragen sein muss von einem klaren transformativen Führungsstil. Wer High-Performance-Teams top down mit klassischem Transaktions-Ansatz führt (Du leistet erst, dann bekommst Du von mir eine Belohnung), der wird kein Optimum ernten.
Das Buch ist zwar klar auf Anwendung in der eigenen (Unternehmens-) Praxis des Lesers ausgerichtet, was auch die kompakten Frage-Checklisten am Ende jedes Kapitels anzeigen. Dennoch wird die wissenschaftlich-akademische Theorie-Basis des Buches durch die quantitativ allerdings angemessen knappen Quellengaben und kurzen Referate zum Stand der maßgeblichen wissenschaftlichen Forschungsstände stets deutlich, abgerundet durch das vierseitige Literaturverzeichnis.
Was in dem Buch aus 2008 für den Leser auf 185 Seiten systematisch und planmäßig entfaltet wird, lässt sich im Kern auch in dem jüngeren Buch nachlesen, für das Wolfgang Jenewein als Allein-Autor steht. Hier geht er noch stärker auf die Aspekte der Unternehmenskultur und die dahinterstehenden Menschen- und Weltbilder ein. Das Werk liest sich im Stil noch ein Stück weit lockerer. Es macht aber zusätzlich deutlich: Auch zehn Jahre später sind die Grundsätze nicht veraltet - jedoch bei weitem in vielen Unternehmen noch gar nicht angekommen. Gelungenes und zeitgemäßes Leadership bleibt eine gewaltige Herausforderung.
Markus Kiefer
(Kolumne von Markus Kiefer vom 15. Februar 2021 auf www.markus-kiefer.eu)
Lektüre:
Wolfgang Jenewein, Marcus Heidbrink, High-Performance-Teams. Die fünf Erfolgsprinzipien für Führung und Zusammenarbeit, 191 S., Schäffer-Pöschel, Stuttgart 2008
Ergänzend:
Wolfgang Jenewein, Warum unsere Chefs plötzlich so nett zu uns sind. Und warum sie es wahrscheinlich sogar ernst meinen, 194 S., Ecowin Verlag, München/Salzburg 2. Auflage 2018
Der Beitrag ist eine Vorabveröffentlichung aus dem neuen Buch von Markus Kiefer. Es erscheint im April 2021 im Rechtsverlag/Hötzel, RFS & Partner, Düsseldorf und Stadtlohn 2021