Sprachliche und Nicht-sprachliche Fettnäpfchen umgehen - Interkulturelle Kommunikation in Asien, Arabien und Nordamerika

Ein aktuelles Fachbuch konkretisiert die notwendigen kommunikativen Kompetenzen für die gelungene Verständigung im interkultureller Herausforderung - in Asien, in arabischen Ländern, in Nordamerika.

Testen wir einmal, wie gut wir nonverbale Signale deuten können. Was bedeutet es, wenn jemand bei ausgestreckter Hand die Finger nach unten klappt? So was wie: "Lass mal stecken"? Was heißt es, wenn jemand mit der Hand von rechts nach links winkt? Na klar, "Geh weiter!" Jemand tippt mit dem Finger auf die eigene Nase - ok, auch klar, ich gebe ihm Zeit zum Nachdenken. Mein Gegenüber bildet mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Kapiert, der oder sie sagt mir an: "Top, gefällt mir!"

Könnte alles so sein. Kann aber auch ganz anders gemeint sein. Auflösung? Im asiatischen Kulturraum bedeutet Fall 1: Komm zur mir. Fall 2. Bedeutet: Nein! Fall 3 zeigt einfach ein "Ich" an. Und Fall 4 steht für Geld, Geldmünzen. 

Wie viele Fallstricke und auch Fettnäpfchen in der interkulturellen Begegnung und dortigen zwischenmenschlichen Kommunikation liegen, zeigen die genannten Situationen. Und diese waren la lediglich nonverbale Kommunikation. Entnommen sind sie einem 190-seitigen Paperback, geschrieben von Antonia Rizk-Antonius, einer langjährigen Lufthansa-Stewardess, die heute als Kommunikationstrainerin Führungskräfte schult. Ihr eigener familiärer Hintergrund ist die ägyptische Kultur. Die erfahrene Buchautorin, die einen akademischen Abschluss als Diplom-Kauffrau aufweisen, hat als Zielgruppe ihres Buches vor allem Geschäftsleute vor Augen. Ihnen gibt sie eine komprimierte Einführung in drei ausgewählte Weltregionen. Sie zeigt, wie man sich sprachlich, körpersprachlich und nonverbal auf dem asiatischen, arabischen und nordamerikanischen Parkett trittsicher bewegen kann. Und dabei geht sie die Sache umfassend an. In der Begegnung mit anderen Kulturen genügt es ja nicht, einfach die passenden Wörter und Begriffe parat zu haben. Die geforderten Kompetenzen reichen von Besonderheiten in der" sprachlichen und nicht-sprachlichen Kommunikation, über gesellschaftliche Werte, Lebensstil und Zeitauffassung bis hin zu kulturell bedingtem Denken, Fühlen und Handeln" (S. 1). Hierin will die Autorin den Leser für die die drei ausgewählten Kulturkreise einführen, so konkret wie möglich. Und diesem Anspruch wird das Buch vollauf gerecht.

Grundlage der drei Hauptabschnitte sind jeweils kompakte, notwendig holzschnittartige Kultur-Porträts der Regionen. Vermittelt auf der Basis des ersten Kapitels: Was ist eigentlich "Typisch deutsch" Dafür vergibt und erläutert Rizk-Antonius jeweils Akronyme. Diese sollen anzeigen, die die jeweilige Kultur aus den Augen der anderen gelesene, gehört, verstanden wird. Für die deutschsprachige DACH-Region ist das BOSS - und steht für: Bodenständig, Organisiert, Sachlich, Strukturiert. 

Für den asiatischen Raum ist es PLUS: Politeness, Loyalty, Unity, Smile. Hier konzentriert sich die Betrachtung auf den wirtschaftlich starken Osten mit Japan, China, Korea. Natürlich gibt es auch dort gewissen eigene Ausprägungen, aber starke gemeinsame Züge sind doch unübersehbar, wie z.B. das Leitprinzip der Gesichtswahrung, das Gruppendenken, die Orientierung am Harmonie-Prinzip, die polychrone Kultur (Aufgaben werden parallel bearbeitet). Weiter kulturelle Prinzipien werden faszinierend herausgearbeitet: Die Mehrdeutigkeit des Lächelns, die Erfordernisse des Gebens mit unbedingter Verpflichtung zum Zurückgeben, die Buchführung über Gefälligkeiten, die richtige Wahl der Gastgeschenke, das (zeitweise) Fallenlassen der Maske bei Abendeinladungen incl. gern gezeigter, aber auch gern gesehener Heiterkeit incl. Alkokolkonsums gerade auch des Gastes, das Hören auf das Unausgesprochene (oft wichtiger als das Gesagte). Und wie vieles läuft doch gerade in Asien über Nonverbales! Dies wird immer wieder an konkreten Situationen im Alltag und Geschäftsleben aufgezeigt, die richtigen Antworten aufgezeigt:  stets in Bezug auf Sprache, Körpersprache, gewünschtes Verhalten. Die Verfasserin schildert dafür konkrete, fiktionierte Fälle, sie gibt zahlreiche Checklisten mit Fragen und passenden Antworten, mit Praxis-Tipps und mit markanten Merksätzen. Am Ende der Kapitel folgen stetes auch Literatur- und Quellenhinweise, die zur Vertiefung und praktischen Einübung ebenso eignen wie als Nachweis, dass das Buch auf seriösem kulturwissenschaftlichem Boden steht. 

Genauso überzeugend ist das Kapitel über den arabischen Raum geschrieben. Zusammengefasst hier durch das Akronym IMB, das für die arabischen Schlüssel-Begriffe Insha'Allah, Boukra und (die fast immer helfende) Zauberformel Malesh steht. Überdeutlich wird, dass hier nur besteht, wer das Nicht-Sprachliche richtig deuten kann: die oftmals theatralische Körpersprache, das gerade bei Männern oft sehr Laute. Diplomatie ist alles und Gesichtswahrung, ganz ähnlich, wie im Asiatischen, ist spielentscheidend. Wer in arabischen Ländern bestehen will, muss immer viel Zeit mitbringen und eine Engels-Geduld. Bei den Kommunikationskanälen ist der Griff zum Telefonhörer oder der Anruf per Handy viel zielführender als eine Mail.

Für die Charakteristik des nordamerikanischen wählte Rizk-Antonius das Akronym KISS: Keep IT Short & Simple. Das Kapitel fällt mit 40 Seiten deutlich kürzer aus, als die beiden anderen. Aber hier kann man beim Leser ja mehr an eigenem praktischem Wissen voraussetzen. Dennoch, wertvoll sind auch diese Seiten, gerade für die Umgehung von Fettnäpfchen bei Geschäftsessen und privaten abendlichen Einladungen. Ebenfalls sehr hilfreich ist das Aufzeigen der verschiedenen Spielarten der amerikanischen Dominanz-Kommunikation bei Verhandlungen.

Während der Lektüre des gesamten Buches spürt man, wie sehr die Verfasserin das alles aus eigenem Erleben schildern kann. Dass sind überaus wertvolle geteilte Erfahrungen. Der Nutzen für Geschäftsreisende ist jederzeit greifbar. Man kann sich den Einsatz des leicht lesbaren Buches gerade auf Langstreckenflügen zur Einstimmung auf die jeweiligen Geschäftstermine bestens vorstellen.   

Markus Kiefer

(Kolumne von Markus Kiefer vom 15. Juli 2021 auf www.markus-kiefer.eu)

 

Empfehlung

Rita Rizk-Antonius, Ihr Navi durch andere Kulturen. Weg aus dem Labyrinth kultureller Fallstricke, Springer Gabler, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-27197-8, 190 S.

 

 

Erschienen am 15/07/2021 08:46
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Für Sie gelesen
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