Starke Arbeitgeber-Marken profilieren

Ein Handbuch von Astrid Nelke, mit einem Mix aus Theorieteil und Praxis-Berichten, gibt Anregungen für den Aufbau starker Arbeitgeber-Marken.

Employer Branding als Thema hat seit ein paar Jahren Konjunktur. In der Unternehmenspraxis und Beratungsbranche schon länger auf dem Tisch, häufen sich nun auch Studien und wissenschaftliche Publikationen. Zumeist wird das Thema aus der Marketingperspektive behandelt, und dies im Kontext und als Unter-Thema der Marken-Theorie. Umso erfrischender ist es, hier auf ein Buch einzugehen, dass es dezidiert anders macht. Denn Astrid Nelkes Handbuch Employer Branding ist aus der Perspektive der Unternehmenskommunikation geschrieben. Das ist die Kernkompetenz Nelkes, die das Fach als akademische Lehrerin schon seit vielen Jahren in Forschung und Lehre vertreten hatte, bevor sie 2021 mit einer Professur für Angewandte Wirtschaftspsychologie an die HAM-Hochschule für Angewandtes Management in Ismaning/München berufen wurde. Darüber hinaus berät sie Unternehmen durch ihre eigene Agentur [know:bodies] u.a. in den Themen der Internen Kommunikation und im Employer Branding. 

So ist es konsequent, dass Nelke ihre Leser nicht einfach mit dem Konzept des Employer Branding überfällt. Sie bettet es zunächst einmal kundig ein in die Ausdifferenzierung, die Strukturen, die Themen einer modern aufgestellten Unternehmenskommunikation. Die Verantwortung für den Aufbau einer zeitgemäßen, in Zeiten des Fachkräftemangels ausstrahlenden Arbeitgebermarke, sieht sie aber nicht eindimensional verankert. Employer Branding wird klassisch als ein Teilbereich des Personalmarketings verstanden, das jedoch in Nelkes Perspektive erfolgsträchtig nur dann arbeiten wird, wenn es zu einem kontinuierlichen, lebendigen Zusammenspiel zwischen Personalverantwortlichen, den Verantwortlichen der Unternehmenskommunikation und der Geschäftsführung kommt.

Diese Betonung der maßgeblichen Rolle der Unternehmenskommunikation ist schon eine Besonderheit des Buches. Die nächste erwähnenswerte liegt in der Zielgruppendifferenzierung. Es geht eben, bei aller Dramatik des Fachkräftemangels, nicht nur um die potentiellen Arbeitnehmer von morgen. Sondern gleichgewichtig auch um das Binden und Halten der bereits unter Vertrag stehenden Arbeitskräfte und das Adressieren Ehemaliger bzw. schon, aus welchen Gründen auch immer, aus dem Unternehmen Ausgeschiedener.

Die Basics zum Thema breitet Astrid Nelke in einem 130-seitigen Theorieteil zuverlässig aus, in Kenntnis von aktueller maßgeblicher Literatur aus HR und Kommunikations- und Medienwissenschaft und BWL (was auch die vielen verwendeten Quellen im 14-seitigen Literaturverzeichnis ausweisen). Auffällig sind die inhaltlichen Schwerpunkte der Autoren. Viele Publikationen zum Thema stellen die Werte-Frage im Kontext von Unternehmenskultur in den Mittepunkt. Und den Cultural Fit von Bewerbern zum Werte-Kanon, den das Unternehmen lebt und das dieses - hoffentlich! - von seinen Konkurrenten schon in der Terminologie erkennbar abhebt. Das ist ja auch eine wesentliche Kommunikationskunst, wenn man auf den Einheitsbrei von vielen Unternehmens- und Karriere-Websites und die Austauschbarkeit der dort betonten Werte in der Marketing-Welt sieht, wo alle gleichermaßen Fairness, Exzellenz und Kundenorientierung für sich reklamieren. Ja, und was macht dann den Unterschied, wenn (fast) alle für die (fast) gleichen Werte stehen?

Nelke hält das für alles andere als trivial. Und dennoch hebt sie anderes hervor. Sie nimmt den Blickwinkel der Kandidaten ein und beschreibt, was diese von Anfang an auf dem Weg zu und mit den von ihnen in Betracht genommenen Unternehmen gehen ("Customer Experience", "Customer Journey") - und welche Fehler man dabei machen kann. Sie erklärt, wie man zu einer passgenauen Identifizierung der wirklich für das Unternehmen Passenden kommt und wie man diese kommunikativ optimal adressiert ("Candidate Profiling"). Und sie betont, wie je unterschiedlich die Generationen X, Y und Z ticken, sowohl mit Bezug auf die vom Unternehmen erwarteten Leistungen als auch auf die Art der kommunikativen Annäherung. Auch präsentiert sie in Eckpunkten den Beratungsansatz ihrer eigenen Agentur, in diesen vier Schritten: Employer Branding (Arbeitgebermarke entwickeln) - Konzept Talentmanagement und Kommunikation hierzu (Conception) - Beschäftige binden und Talente gewinnen (Retention & Recruiting) - Beschäftigte beteiligen (Empowerment), s. u.a. Schema S. 101. 

Es folgt ein 150-seitiger Praxisteil. Dies erklärt das Handbuch-Etikett im Titel. Denn Astrid Nelke hat dieses Buch nicht allein verfasst, sondern Mitstreiter aus ihrer Hochschule, aus ihrem Berater-Netzwerk zur Mitarbeit gewonnen. Aus wissenschaftlicher Perspektive hervorgehoben seien die Beiträge des HAM-Wirtschaftspsychologie-Professors Axel Koch über gesundes Arbeiten und gesunde Arbeitsplätze, der Pädagogin, Psychologin und Trainerin Eva Brandt über hybrides Leadership, eine gemeinsame Studie von Astrid Nelke und der SRH-Professorin Angela Bittner-Fesseler über digitale Formate des Employer Branding für Start Ups. Darüber hinaus gibt es Praxisberichte über das Employer Branding verschiedener kleiner und mittelständischer Unternehmen. Der Mix ist anregend, da es um sehr unterschiedliche Branchen geht, einmal um ein kleines Hotel, dann um ein Autohaus, danach um eine zusammenhängende Gruppe lokaler Apotheken, auch um ein kleines Startup in der Gesundheitsbranche. Das sind, gerade in den Details, schon spannende Insights. Wegen der unterschiedlich ausgeprägten Erfahrungen und auch des unterschiedlichen know hows der Beiträger und Beiträgerinnen (zu der auch eine Masterandin zählt, die über die Finanzbranche gearbeitet hat), sind nicht alle Aufsätze inhaltlich auf gleicher Augenhöhe. Und nicht in allen Fällen ist der Fokus auf Employer Branding ganz stringent eingehalten. In Summe ergibt sich jedoch ein buntes Kaleidoskop von Möglichkeiten. Sicher nicht im Sinne einer 1.1 Übertragbarkeit, aber insgesamt durchaus geeignet, dem nach Lösungen für seiner eigene Arbeitgeber-Marke suchenden Leser Ideen für interessante Inhalte zu geben.

Ein auf die Praxis zielender Anhang mit einem Dutzend Checklisten rundet den Buchinhalt, besonders geeignet für alle, die mit einer kritischen Bestandsaufnahme des eigenen Tuns im Unternehmen starten möchten. Das lässt sich, zum Teil jedenfalls, auch für erste Schritte nützen, ohne dass ein externer Berater sofort mit am Start sein muss. Wem bei der Frage, über welche Kommunikations-Kanäle man denn potentielle Bewerber ansprechen kann, nur oder vor allem die eigene Website einfällt, der studiere die Checkliste auf S. 273 - sie verzeichnet 23 (!) unterschiedliche Kommunikationsmittel- und Formate.

Wo der Rezensent viel Licht sieht, mag die Autorin ihm das Erwähnen des ein oder kleineren Schattens nicht übel nehmen. Es handelt sich bei dem 300-seitigen Paperback bereits um die zweite Auflage, überarbeitet und erweitert zur ersten Auflage von 2020. Für eine dritte Auflage sei die Vergrößerung der Schaubilder angeraten, deren Schrift vor allem für etwas ältere Leser selbst mit Brille schwer zu lesen sind. Manch Textpassage ist nicht eindeutig einem Autor zuzuordnen. Zu vermuten ist, dass die Passage über hybrides Arbeiten (S. 184 ff.) wiederum von Nelke ist, nachdem ein anderer Autor in den Seiten zuvor ebenfalls über Hybrid-Aspekte schrieb? Wenn ja, dann bitte das nächste Mal wieder den Namen über die erste Seite des Abschnitts setzen oder es im Inhaltsverzeichnis besser verdeutlichen. Im Praxisteil gibt es zwei Berichte, als deren Quelle/Autor das Unternehmen selbst angegeben sind. Ein kritischer, aufmerksamer Leser wird diese Texte als Bruch im Buch empfinden, da es Selbst-Referenzen sind, die zum Teil sehr unkritisch und eher werblich ausgefallen sind. Ein gewichtiger inhaltlicher Aspekt ist in dem Buch deutlich unterrepräsentiert und Nelke sollte ihn bei einer weiteren Überarbeitung unbedingt aufgreifen: Wie gelingt die Abgrenzung und was ist die Schnittmenge von einer (neuen) Employer Brand zu einer schon länger vorhandenen, starken Unternehmens-Marke?

Diese kritisch angemerkten Punkte ändern das Gesamturteil aber nicht: ein wirklich gelungenes und für die Praxis anregendes, leicht zu rezipierendes Buch, das wirklich deutlich macht: One size fits all-Lösungen sind für eine attraktive Arbeitgeber-Marke nicht angesagt. Wie das Gegenteil funktioniert, wird mit der Lektüre dieses Buches deutlich vorstellbarer. 

Markus Kiefer

(Kolumne von Markus Kiefer vom 15. September 2024 auf www.markus-kiefer.eu)

Empfehlung

Astrid Nelke, Handbuch Employer Branding. 2. erweiterte Neuauflage Zürich 2023, Praxium Verlag, 300 S, ISBN 978-3-906092-41-6, Euro 55,-- 

 

Erschienen am 15/09/2024 08:57
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Für Sie gelesen
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