Transparenz wagen? - Transparenz wagen! (Mehr Transparenz wagen - Teil 1)

Mehr Transparenz - eine viel gehörte Forderung an Unternehmen. Jedoch, Transparenz ist kein absoluter Wert.

Lassen Sie sich gern in die Karten schauen? Ich nicht gesagt, ehrlich gesagt. Aber die meiner Mitspieler, die würde ich schon ganz gern sehen.

Ganz ähnlich mag es vielen Unternehmen in diesem Zusammenhang gehen. Geheimnisse der anderen wüsste man ganz gern. Die eigenen hütet man wie einen Augapfel.

Aber, wie lange geht das noch? Das Social Media-Zeitalter ist eines der Transparenz. Und einer der Enthüllungen. In jeder Hinsicht.

Der Zeitgeist steht auf Durchblick. Der Staat auch. Immer mehr Offenlegungspflichten für Unternehmen werden normiert. Die EU-Richtlinien zur Offenlegung der eignen CSR-Blanz werden schon bald nicht mehr nur eine Handvoll großer, sondern schon eine fünftstellige Zahl deutscher Unternehmen treffen. Das ist nur ein Beispiel. Die aktualisierten Lieferkettengesetze wären ein anders. Und die jüngeren Stakeholder-Generationen sähen Unternehmen und Organisationen ohnehin lieber als ein offenes Buch.

Viele Herausforderungen an die Unternehmens-Kommunikatoren. Jedoch, ein Transparenz-Gebot für Unternehmen darf kein absoluter Wert an sich sein. Niemals. Das beißt sich schon mit dem Schutz des Eigentums oder mit der persönlichen Haftung der handelnden Unternehmer. Und die Herstellung von Transparenz in einer Bilanz ist etwas anderes als in einer akuten Krisensituation oder bei der Herstellung von Transparenz bei Innovation und Forschung bei Marktführern. Das Thema bedarf der differenzierten Betrachtung.

Dennoch, diese These wird man wagen dürfen. Das Zeitalter von Geheimniskrämerei und Abschottung ist von gestern. Mehr Transparenz wagen, das ist keine schlechte Leitlinie, vor allem nicht in freiheitlichen Wirtschaftssystemen. Die ihre Überlegenheit gegenüber autoritärer Staatswirtschaft gerade in dieser Hinsicht ausspielen müssten.

Insofern sollten sich Unternehmen von Zeit zu Zeit immer wieder selbstkritisch auf den Prüfstand stellen und fragen: Wie viel Offenheit müssen wir oder sollten wir wagen? Differenziert nach prioritären Stakeholdern und nach Themen-Feldern: Strategie, Innovation, Kapitalmarktkommunikation, Nachhaltigkeitsthemen, gesellschaftliches Engagement, Public Affairs & Lobbyismus.

Warum das lohnt? Jeff Jarvis, einer der besonders kritischen amerikanischen Vordenker der modernen Internetwirtschaft, hat es einmal so formuliert: ?Und wie wir heute Transparenz von den Behörden verlangen, erwarten wir auch mehr Offenheit von den Unternehmen. Transparenz ist bisher nur irgendein Schlagwort, das in sorgfältig formulierten Presserklärungen oder Schuldbekenntnissen seinen Niederschlag findet, wenn jemand einen Fehler begangen hat. Das hat mit Offenheit nichts zu tun, das ist PR. Ein wahrhaft öffentliches Unternehmen wird vielmehr deshalb öffentlich operieren, weil es dem Unternehmen eine neue Arbeitsweise ermöglicht, die Zusammenarbeit mit Kunden stärkt, die Geschäftsbeziehungen neu ordnet, Vertrauen und größere Effizienz schafft, bessere Produkte hervorbringt, die Zahl der Fehler verringert, die Marketingkosten senkt und die Marke in Zusammenarbeit mit anderen verbessert.? Dies schrieb er vor 12 Jahren (Mehr Transparenz wagen, München 2011, S. 18). Sind wir heute weitergekommen? 

Markus Kiefer

(Kolumne von Markus Kiefer vom 1. August 2023 auf www.markus-kiefer.eu)

Erschienen am 01/08/2023 08:25
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Auf den Punkt
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