Vom Harvard-Professor zum Talkshowstar zum Bundesminister - zur Bedeutung der Wissenschaftskommunikation

Wie man als Wissenschaftler zum Bundesminister oder zum Talkshowstar oder mindestens öffentlich wirksamer wird - ein aktueller Wegweiser zur Wissenschaftskommunikation von Viola Falkenberg ist erschienen.

Nach zwei Jahren Pandemie scheint es, dass sich allerspätestens mit der neuen Bundesregierung eine Evidenz-basierte Politik etabliert hat, die vor allem die Empfehlungen der Wissenschaft durchsetzt. Und die Stimme der Wissenschaft ist wirklich unübersehbar und unüberhörbar geworden. Vor allem ist sie derzeit vor allem überdurchschnittlich glaubwürdig. Einen selten erreichten Vertrauens-Spitzenwert von 69 % für die Wissenschaften in Deutschland wiesen die zu Beginn des Jahres 2022 veröffentlichen Zahlen des Edelman-Trust-Barometers aus. Ja, zuweilen konnte man den Eindruck gewinnen, Deutschlands bekannteste Virologen regieren das Land, oder jedenfalls, sie gaben öffentlich vor, was zu tun ist. Wenn Christian Drosten an der freitäglichen Pressekonferenz des RKI-Präsidenten teilnimmt, rückt die Veranstaltung in der Nachrichten-Agenda ganz nach vorn. Und mit Karl Lauterbach hat sich inzwischen ein Wissenschaftler so unwiderstehlich in der öffentlichen Debatte etabliert, dass seine Berufung in die Bundesregierung und zum Fachminister fast unabweisbar war. 

Jedoch, das war nicht immer so. Selten zuvor war die Stimme der Wissenschaft im öffentlich-politischen Diskurs so maßgeblich. Und noch zu Beginn der Pandemiezeit verhedderte sich ein anerkannter Virologie-Professor wie Hendrik Streeck in den Mühlen des PR-Geschäfts und den politischen Interessen des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Inzwischen ist der Bonner Medizin-Ordinarius souveräner Erklärer in jedem Talkshowformat und weicht den Fallstrick-Fragen der Moderatorinnen gekonnt aus. 

Selbst Professor Christian Drosten, der heute bei seinen Auftritten in den "Tagesthemen" und anderen Formaten des öffentlichen Nachrichtengeschäfts traumwandlerisch sicher agiert und dessen populärer Corona-Podcast beim NDR regelmäßig Top-Quoten einfuhr, wirkte in seinen ersten öffentlichen Einlassungen 2020 zuweilen fahrig, unsicher, mehrdeutig, zu sehr in Fachsprachlichem verfangen. Es war durchaus ein Weg zum wissenschaftlichen Medienliebling und an diesen beiden Beispielen lässt sich gut erkennen: Nicht jeder Wissenschaftler ist ein geborener Kommunikator. Aber, wie kann man es werden? Und: Lässt sich das lernen? Mit Blick auf die letzte Frage, ist die Antwort ein bedingtes Ja. In der wissenschaftlichen Ausbildung von Universitäten und Fachhochschulen lernt man es in aller Regel nicht. Hier steht das Fachliche im Vordergrund und vielleicht auch mal ein Modul während des Studiums, in dem Selbstmanagement im Mittelpunkt steht oder Präsentationstechniken.

Wer sich als Wissenschaftler auf den Weg machen will, eine öffentliche Stimme und öffentliche Marke zu werden, der muss nach anderen Wegen suchen. Beispielsweise zu einem Fachbuch zur Wissenschaftskommunikation greifen, wie es nunmehr die Bremer Journalistin und PR-Beraterin Viola Falkenberg vorlegt, die u.a. mit erfolgreichen Fachbüchern zur Medienarbeit, zu Pressemitteilungen und Pressekonferenzen einschlägig ist. Sie zeigt in ihrem 262 Seiten starken Paperback Schritt für Schritt den Weg einer eigenständigen Performance auf, die im Ergebnis zu einer stärkeren Wahrnehmung, häufigeren Zitation prägnant formulierter Erkenntnisse führt. 

Das bereitet sie in einem 5-Schritt-Zugang plus zwei abschließenden Übungskapiteln auf. Kapitel 1 enthält strategische Überlegungen, wie sich eine wissenschaftliche Positionierung mit markanten Schwerpunkten aufbauen lässt. Wo will ich vor allem wahrgenommen sein, bei Studierenden, in der Scientific Community, in der Gesellschaft, in den Medien? Und für was und welche Art der Expertise will ich dort stehen? Falkenberg macht deutlich, nicht zuletzt mit konkreten Überlegungen zur Social Media-Arbeit, dass es heute nicht reicht, eine Masse an neuen Erkenntnissen zu platzieren. Sondern dass es gilt, diese in spannende und ungewöhnliche Geschichten zu verpacken und auch eine überraschende Bildsprache zu finden. Kapitel 2 bringt sehr praktische Hinweise zum Schreiben. Wissenschaftler sind gedrillt in einer Sprache für Seminararbeiten, Thesis, Dissertationen und Journals. Das ist aber nicht die Sprache, mit denen man seine Erkenntnisse in Social Media-Plattformen oder in Büchern für ein breiteres Publikum anbieten sollte. Kapitel 3 bereitet auf, wie man das Publikum gekonnt anspricht, in kurzen Präsentationen und strukturierten Vorträgen, aber auch in modernen Formaten wie Podcasts, Lehrvideos, Screencasts oder über die Teilnahme sowohl an klassischen Veranstaltungen wie an modernen Event-Formaten, zum Beispiel Wissenschafts-Slams oder "Lange Nacht der Wissenschaft". Dies alles macht Falkenberg sehr konkret, mit praktischen Anleitungen und zahlreichen Links, wo man sich Hilfe, Orientierung oder gar Vorlagen holen kann. Kapitel 4 fasst Grundlagen zur Pressearbeit zusammen, vom Aufbau eines Medienverteilers bis zur Struktur von wissenschaftlichen Presseinformationen und zur Vorbereitung auf Medien-Interviews und Agieren vor Kameras und Mikrophonen. Das Buch lässt sich wirklich wie ein modulares Eigenstudium nutzen. Kapitel 5 rundet das flüssig geschriebene Weiterbildungsprogramm ab, mit Hinweisen auf wissenschaftliche Förderprogramme und vor allem mit einer umfassenden, instruktiven Dokumentation wissenschaftlicher Wettbewerbe, mit deren Gewinn oder guten Platzierungen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wirksam profilieren können. Kapitel 6 ist ein umfassendes Kapitel mit sehr konkreten Übungsaufgaben, mit denen sich das zuvor Beschriebene exzellent trainieren lässt - zumal Kapitel 7 ausführliche, detaillierte Musterlösungen mit abschließenden Checklisten darstellt. Ein ausführliches Literaturverzeichnis, mit aktuellen Publikationen und vor allem wertvollen Links sowie ein Stichwortregister runden die Lektüre.

Für welche Zielgruppen ist das Buch von Interesse? Für jeden Nachwuchswissenschaftler, der nicht im Binnen-Elfenbeinturm bleiben möchte. Für die PR-Managerinnen und Kommunikationsmanager von Hochschulen, die ihre Institution öffentlich stärker im Bewusstsein verankern möchten. Für alle PR-Agenturen mit Kunden im Wissenschaftsbereich.

Markus Kiefer, Kolumne von Markus Kiefer vom 15. Juli 2022 auf www.markus-kiefer.eu

Empfehlung

Viola Falkenberg, Wissenschaftskommunikation: Vom Hörsaal ins Rampenlicht. Mit Übungen und Checklisten, UTB, Tübingen 2021, 262 S., ? 24,90, ISBN 9783825256708 

 

 

Erschienen am 15/07/2022 09:53
von Markus Kiefer
in der Kategorie : Für Sie gelesen
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