Von Stars und Influencern - in der Marketingkommunikation
Wann und wie Unternehmen die Wirksamkeit v.a. ihrer Marketingkommunikation mit Stars und Influencern aufladen können, zeigt dieser Sammelband aus dem FAZ-Verlag.
Social Media-Influencer waren zwischenzeitlich schon einmal ins Gerede gekommen. Die üblichen Verdächtigen der Szene, mit zu vielen Produkten gleichzeitig unterwegs. Inzwischen so scheint es, sind sie bei vielen Unternehmen ein gern gewählter Kommunikationskanal, der da funktioniert, wo andere Medien ausfallen oder an Bedeutung oder an Glaubwürdigkeit verlieren (Klassische Medien, eigene Medien). Aber, es gibt ja nicht nur den modernen Influencer. Es gab schon immer und gibt auch heute geeignete Stars, oder Celebrities, wie sie neudeutsch genannt werden. Filmschauspielerinnen, Fernsehmoderatoren, Sportstars. Und manche Top-Influencer in der Modebranche wie beispielsweise Pamela Reif oder Caro Daur haben schon längst die Anmutung, Aura und auch öffentliche Wahrnehmung als Star. Solchen Persönlichkeiten, die gern auch als Testimonials eingesetzt wurden und werden, ist gemeinsam die bewusste und gewollte werblich-persuasive Einflussnahme
Wann sollten Unternehmen auf klassische Stars setzen, wann auf Influencer - und wie findet man die geeigneten und ihre Passung zu den Produkten und Themen des Unternehmens? Eine Aufgabe, die sich zunächst einmal den Verantwortlichen der Marketingkommunikation stellt. Und genau dies ist dann auch das Spektrum der Autorinnen und Autoren, die von den Herausgebern dieses FAZ-Sammelbandes mit ihren Perspektiven auf das Thema ausgewählt wurden. Zumeist aus dem Feld etablierter Agenturen wie Grey, Serviceplan, Kolle Rebbe, Think Out Of The Box, Jung von Matt, Territory webguerillas. Sie geben v.a. in den Kapiteln 1 und 2 wertvolle, inspirierende Einsichten in die Systematik der Influencer-Bewertung und Auswahl in ihren jeweiligen Häusern. Kapitel 3 setzt zwei weitere schwergewichtige Akzente: Wie können Top-Fußballer und Rockstars zugunsten von Unternehmen wirken? Für welche Werte stehen denn Fußballer wie Podolski, Reus, Kroos, Hummels oder Schweinsteiger? Für sehr unterschiedliche, wie das markante Positionierungs-Schaubild auf S. 142 ausweist. In Kapitel 4 sticht der Aufsatz von Mandy Möller-Sarnoch ins Auge, der die prominentesten Social Media-Stars unserer Tage wie Pamela Reif, Caro Daur, Bianca Heinicke, Julian Bam u.a. in ihrer Wirkmacht genau analysiert und dies in einer anregenden Influencer-Typologie ansprechend visualisiert (The Ten Types of Influence, S. 177). Die zehn Typen sind: Analyst, Insider, Expert, Activist, Disruptor, Authority, Journalist, Celebrity, Personal Brand, Connector. Während dieser Text den Scheinwerfer auf Prominente wirft, zeigt Kerstin Hoffmann (Nickname "PR-Doktor"), dass die Gegenseite zum Scheinwerferlicht genau so wirkungsvoll sein kann. Sie präsentiert die Möglichkeiten, die eigenen Mitarbeiter als Influencer aufzubauen. Der Titel ihres Beitrags ist ja schon länger Aktions-Programm in vielen Unternehmen: "Die wahren Stars der Marke?". Kapitel 5 thematisiert dann abschließend wesentliche rechtliche Aspekte wie geistiges Eigentum, Kennzeichnungspflichten, Haftungsfragen u.a. Den Band schließt ab mit einer knappen Reflexion (drei Seiten) von Günther Jauch über den Promi-Einsatz in Unternehmenswerbung. Alles hoch relevante Inhalte für die Praxis der Marketingkommunikation.
Der einleitende Aufsatz der Herausgeber dürfte die Akzeptanz des Buches dann noch zusätzlich in der Scientific Community absichern. Was die ausgewiesenen Marken-Experten Alexander Schimansky (Professor für Marken- und Kommunikationswissenschaft an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst, Hildesheim) und Shamsey Oloko (u.a. Daimler, Think Out Of The Box, Universal Music and Brands) hier gemeinsam mit Magdalena Beck (promovierte Psychologin und Statistikerin) meisterhaft ausrollen, das ist nicht weniger als die gesamte Entwicklung der Meinungsmacher-Typologien in Jahrzehnten wissenschaftlicher Diskussion und Marketing-Praxis, von Greta Garbo früher bis Bianca Heinicke ("Bibi") heute, glänzend aus der einschlägigen Fachliteratur und mit spannenden Praxis-Quellen belegt. Darüber hinaus nimmt der Praktiker aus diesem ausführlichen Einleitungsaufsatz drei anregende Schaubilder zur weiteren Eigenarbeit mit: a) Die Influencer-Typen (Celebrity, Content-Creator, Kunde, Mitarbeiter) und ihre dafür geeigneten Auftrittsformate (S. 14), b) die inhaltliche "Passung" im Dreieck Marke/Unternehmen/Produkt - Celebrity - Zielgruppe (S. 19) und c) der sog. Strategische Entscheidungskorridor: Markenziele - Influencer - Inszenierung - Touchpoints (S. 30). Das alles sind hochwertige, anregende Tools, die der strategischen Überlegung auf der Praxisebene sehr dienlich sein müssten.
Was dem Band abgeht: Was ist eigentlich mit den PR-Aspekten, die den Einsatz von Celebrities gleich welcher Art im Marketing doch unabdingbar zur Folge haben? Es entsteht nämlich zwangsläufig und immer eine ganze Menge "Earned Media", wie man das heute nennt, nämlich begleitende Medienberichterstattung und das Thematisieren solcher Star-Einsätze auf allen möglichen Social Media-Kanälen. Und dies ist dann nicht mehr Marketing-Kommunikation, sondern der Job der Kommunikationsmanager, der Medienmanager, der PR-Leute. Hier liegen ja gewaltige Chancen und sehr konkrete Aufgaben für die Unternehmenskommunikation. Wie sich Unternehmen diese Formen der zusätzlich entstehenden Öffentlichkeit systematisch zunutze machen könnten, wenn sie denn schon auf teure Stars setzen, das sollte vielleicht Thema von zwei, drei ergänzenden Aufsätzen sein, wenn der FAZ-Verlag eine überarbeitete Neuauflage des Buches plant. Die Aktualität des Themas wird ja bleiben und die Qualität des hier vorgelegten Sammelbandes hätte in jedem Fall eine weitere Neuauflage mit zusätzlichen Aspekten verdient. Noch eine Bitte an den Verlag: Bei einer Neuauflage des Sammelbandes bitte hinter die Namen auch die Herausgeber-Funktion auf die Titelseiten außen und innen setzen und deutlicher in dieser Hinsicht markieren.
Markus Kiefer
(Kolumne von Markus Kiefer vom 15. November 2023 auf www.markus-kiefer.eu)
Empfehlung:
Alexander Schimansky/Shamsey Oloko, Die Macht der Meinungsführer. Von Celebrities bis zu Influencern, Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt a.M. 2020, 253 S., ISBN 9783956012266, Euro 29,--