Wann kommuniziert eine Führungskraft gut genug?
Hartmut Laufer gibt in seinem aktuellen GABAL-Buch eine vielschichtige Antwort darauf, was gute Führungskräftekommunikation ist, und diese wird manchen überraschen.
Ab wann lässt sich einer Führungskraft bestätigen, dass sie eine gute ist? Viele werden antworten, wenn sie gut kommunizieren kann. Schon klar, Führung, oder modern "Leadership", sind sie nicht vor allem oder zumindest wesentlich eine gute, effektive, effiziente Kommunikation? Widerspruch als Antwort wird man kaum ernten.
Jedoch, wie lässt sich das am besten verwirklichen, welche Wege sind zu beschreiten, welche Kommunikations-Kanäle sind das Mittel der (ersten) Wahl? Hier könnten die Antworten schon ganz unterschiedlich ausfallen. Je nachdem, wen man fragt. Konkreter, je nachdem, welche Generation befragt wird. Die Babyboomer, noch aus den Ausläufern des modernen Industriezeitalters kommend, kennen im Wesentlichen die klassischen Top down-Kommunikationsstrukturen. In dieser Perspektive wird vermutlich eine rhetorisch gewandte Führungskraft, die Besprechungen oder größere Versammlungen oder gar Betriebsversammlungen als Redner prägen kann, als Ideal gesehen. Klassische Ansagen eben, gekonnt artikuliert, getragen von hierarchischer Autorität. Bei den Generationen Y und Z wird das schon ganz anders aussehen. Hier dürfte unter guter Kommunikation sehr stark der gewandte Chat, Dialog-Formate im Intranet, gut moderierte Videokonferenzen verstanden werden. Und die nächst Jüngeren werden vermutlich stringent und zugleich locker gelenkte Standup-Meetings oder gut geleitete Barcamps als Pluspunkte einer modernen Führungskraft ansehen.
Im Jahrzehnt der Digitalisierung sind schon dicke Bücher an Literatur zu "Digital Leadership" erschienen und eine Vielzahl gleichnamiger Studiengänge auch, vor allem aber nicht nur an privaten Hochschulen.
Umso faszinierter legt man das hier zu rezensierende Fachbuch von Hartmut Laufer am Ende aus der Hand. Denn wiewohl er der digitalen Kommunikation nur ein paar Seiten widmet (und diese am Ende des Buches, und zwei am Anfang) vermisst der Leser das Nicht- oder Kaum-Behandeln der digitalen Perspektive gar nicht. Laufer, der ein erfahrener Coach, Trainer und einschlägiger Autor mehrerer GABAL-Fachbücher zur Mitarbeiter- und Führungskräftekommunikation ist, setzt die Akzente ganz anders. Ja, noch pointierter, für ihn disqualifiziert sich eine Führungskraft, der seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorwiegend oder sogar ausschließlich per Mail-Kommunikation (oder Chat-Kommunikation) lenkt. Und jene ellenlangen Mail-und-Antwort-Mail-Schleifen mit ausufernden Verteilern zulässt oder diese gar provoziert. Mit dem nicht seltenen Ergebnis, dass im digitalen Raum Emotionen, Verletzungen und Verhärtungen entstehen, die bei (rechtzeitigen) persönlichen Begegnungen vermutlich so nicht entstanden, jedenfalls nicht hoch gekocht wären.
Folglich stehen in Laufers Buch ganz andere Kompetenzen, Skills und Formate der Kommunikation im Mittelpunkt. So zum Bespiel die Kunst des guten Mitarbeitergesprächs. Für Kenner seiner bisherigen Bücher ist der hier v.a. im Kapitel 4 ausgebreitete Stoff nicht neu. Aber die Kompaktfassungen zum gekonnten Führen der häufigsten betrieblichen Gesprächsformate (Feedback, Motivation, Kritik, Beurteilung) sind doch verdienstvoll. Eer ergänzt hier noch das Leiten von Mitarbeiterbesprechungen. Es geht also um Gespräche im Gruppenformat, ein Aspekt der bei anderen Fachbüchern zur Führungskräftekommunikation zuweilen gar nicht behandelt wird. Aber selbst der Kenner der bisherigen Werke des Autors erlebt inhaltliche Weiterungen, weil andere Kapitel die nötigen Elemente der Führungskräftekommunikation in ganz spezifischen, häufigen betrieblichen Situationen nun konkretisieren. Das ist die Stärke des Buches. In weiten Teilen sind das hier nicht allgemein gehaltene Grundsätze, sondern Anwendungen in ganz unterschiedlichen Kontexten mit ihren spezifischen Anforderungen an gelingende Kommunikation. Beispielsweise in Change-Projekten (Kapitel 2). Oder aber in Situationen, wo vor allem Problemlösungen zu schaffen sind (Kapitel 3), wobei Laufer ausführlich eine ganze Reihe von Kreativtechniken skizziert, die eine Führungskraft beherrschen sollte, deutlich über simples Brainstorming hinausgehend. Beispielsweise Techniken, die der Passivität von Teilnehmern entgegenwirken oder Techniken, mit denen man Entscheidungen in einer Gruppe auf objektiv-rationale Kriterien gründen kann. Ein Meisterstück dieses Kapitels sind die Seiten über das Vorbereiten, Führen, Anlegen und Anwenden eines Besprechungsprotokolls als Element schriftlicher Führung. Das ist genauso praxisnah wie das Kapitel 6, wo aufgezeigt wird, wie die Führungskraft in Konflikte eingreifen und diese durch gekonnte Kommunikation entschärfen oder gar befrieden könnte (Kapitel 6)
Etwas quer zum sonstigen Kontext steht hingegen das Kapitel 3, Kommunikation im Personalmanagement. Mancher Leser wird das wohl als eher entbehrlich oder gar als Bruch empfinden, weil hier zumeist die Gesprächsführung aus der Sicht des verantwortlichen Personalers dargestellt ist. Eine Situation, in die die allermeisten Führungskräfte nicht kommen werden.
Gerahmt wird das alles durch eine souveräne Einleitung, welche die Kenntnis der akademisch-wissenschaftlichen Debatte ausweist. Laufer geht hier auf die Werte-Ebene und zeigt den Wandel der Zeitläufte und Führungsstile. Königsweg bei ihm ist heute die situative Führung, was für die moderne Führungskraft vor allem bedeutet, je nach Erfordernissen zu erkennen, wo er den eher autoritären, wann den eher demokratisch-partizipativen Führungsstil setzen muss. Was den Leser mit Weiterbildungs-Ambitionen schnell begreifen lässt: ich muss dringend beide Stile beherrschen und den Wechsel dazwischen auch und auch ein Gespür, welche unterschiedlichen Kommunikations-Skills der Moment erfordert. Mit einfachen Blaupausen geht das heute weniger denn je.
Im letzten Kapitel (7) bekommt der Leser noch zahlreiche Anleitungen für die Sprache einer modernen Führungskraft, für den Wortschatz, den Satzbau, differenziert betrachtet nach gesprochenem, geschriebenem Wort, mit speziellen Anleitungen für die Mail-Kommunikation.
Alles in allem ein kompakter schriftlicher Kurs in Führungskräftekommunikation, flüssig lesbar, anregend und in vielen Fällen bis ins Detail übertragbar. Gut geeignet sowohl für werdende Führungskräfte, die Grundlagen verstehen möchten. Aber durchaus geeignet auch für schon erfahrene Führungskräfte, die bestimmte Techniken erwerben oder verfeinern möchten (zum Beispiel in der Entscheidungsfindung in Gruppen). Laufer überlässt es in dem 291 Seiten Hardcover dabei nicht allein seinem Fließtext, für Orientierung und Durchblick zu sorgen. Eine ganze Reihe von teils sehr detaillierten Schaubildern und (Gesprächs-) Leitfäden sorgen für Zusammenfassung und Orientierung. Der Käufer des Buches erhält darüber hinaus noch Download-Optionen für weiteres Material wie Leitfäden, Formulare, Vordruck-Formate o.ä., was sich alles direkt im betrieblichen Alltag 1:1 einsetzen lässt, zum Beispiel in den verschiedenen Formen des Mitarbeitergesprächs. Das ist ein wertvolles Add On, echter Service von Autor und Verlag.
Empfehlung
Harmut Laufer, Gut kommunizieren als Führungskraft. Wie praxisbezogene Kommunikation zu mehr Produktivität und zu besseren Ergebnissen führt, GABAL, Offenbach 2021, 291 S., ISBN978-3-96739-046-9, 32 Euro